Fräulein Gehirn

Hier noch ein Nachtrag. Das ist eine zweite Geschichte, die ich Anna in ihrer ersten Therapiestunde erzählt habe. Seitdem unterhält sie sich öfter mit ihrem Gehirn – etwas, was wir vielleicht alle manchmal tun sollten.

Du weißt natürlich, dass du ein Gehirn hast, und dass es denken kann, nicht wahr? Hast du schon einmal mit deinem Gehirn gesprochen? Nein? Dann ist ja heute Zeit, um damit anzufangen. Wie heißt denn dein Gehirn? Ist es ein Mann oder eine Frau?
Sehr gut… Du kannst also zu deinem Gehirn sagen: „Guten Tag, Fräulein Gehirn!“ und bestimmt wird es antworten: „Guten Tag, liebe Anna“. Du kannst es fragen: „Liebes Fräulein Gehirn, könntest du mir dabei helfen, mich immer zu konzentrieren, wenn meine Lehrerin die Hausaufgaben erklärt?“, und Fräulein Gehirn wird dir antworten: „Natürlich kann ich das, liebe Anna, du hast mich nur noch nie danach gefragt.“ „Ach so“, kannst du dann sagen, „dann bitte ich dich jetzt darum. Würdest du mich bitte immer wach und konzentriert sein lassen, wenn die Lehrerin die Hausaufgaben erklärt, liebes Fräulein Gehirn?“ „Aber selbstverständlich, liebe Anna!“

Webtipp: Prüfungsangst

Eine schöne Website zu Prüfungsangst ist www.pruefungsangst.de. Die Seite ist noch im Aufbau, ist aber jetzt schon sehenswert und sehr informativ. Neben fundierten Informationen zum Thema selbst findet sich dort eine Liste von Beratern und Therapeuten, die Hilfe bei Prüfungsangst anbieten und ein Austauschforum für Betroffene. Der Seitenautor, Nicolai Tassilo Semmler, ist Diplompsychologe, Hypnotherapeut (ausgebildet nach Milton Erickson) und NLP-Trainer in Hamburg.

Natürlich könnt ihr Prüfungsangst auch bei mir hypnotherapeutisch oder im Rahmen von systemischem Coaching bearbeiten. Anfragen per Telefon unter 06301 – 710408, über meine Institutswebsite oder per Mail unter stefan.hammel@hsb-westpfalz.de.

 

Struktur und Inhalt

Vor ein paar Tagen hat mir eine Kollegin entgegengeschleudert, ich hätte keine Meinung, eiere herum wie ein Weichei und sei überhaupt nicht auf Inhalte festzulegen.  Das hat mich verwundert, da ich mich im Umgang mit anderen Menschen meistens als sicher und entschlossen empfinde. So habe ich natürlich protestiert. Später fiel mir ein, dass mir vor Jahren ein anderer Kollege ganz ähnliche Vorwürfe gemacht hat.

Was beide Kollegen gemeinsam haben, ist dass sie Wert auf Fakten legen, auf „Professionalität“ und Abgrenzung vom minder professionellen Verhalten einiger Kollegen und Nicht-Fachleute. Nach einigem Nachdenken stellte ich fest, dass Weiterlesen

Ostereier

Wie findet man Ostereier? Und warum suchen manche Menschen und finden nicht? Für den Fall, dass Sie am Suchen und noch nicht am Finden sind, erlauben Sie mir, so gut ich kann, einige Hinweise zu geben. Möglichkeit eins: Sehr kleine Kinder werden keine Ostereier finden, weil sie nicht wissen, was Ostereier sind. Ohne Anleitung losgeschickt, werden sie womöglich mit Pilzen und Grasbüscheln zurückkommen. Möglichkeit zwei: Etwas größere Kinder wissen zwar, wie Ostereier aussehen, begreifen aber noch nicht, wie „Suchen“ eigentlich geht. Es gibt verschiedene Arten zu suchen. Und in dem Fall, dass man selbst ein Osterei ist, Weiterlesen

Interessenverschiebung

Nach einer langen Zeit im Koma kehrte mein Onkel Dennis mit einer geistigen Behinderung ins Leben der Menschen zurück. Vieles hatte er vergessen und vieles war ihm gleichgültig geworden. Oft deutete er mit dem Finger zum Himmel: „Schau, eine F-14 Tomcat Maschine! Sieh mal, ein Apache-Helicopter!“ Und er beschrieb die Triebwerkstypen, Leistung, Traglast, Cockpitausstattung, Besatzung und Bewaffnung der vorbei fliegenden Maschinen. „Er war im Koreakrieg“, sagte seine Frau. „Aber ich wusste nicht, dass etwas darüber weiß. Wir sind seit 30 Jahren verheiratet, und er hat sich nie dafür interessiert.“

Die Geschichte kann in der Beratung dazu dienen, um deutlich zu machen, dass die Menschen in unserer Umgebung verborgene Fähigkeiten haben, von der die Umgebung nichts weiß – manchmal über Jahrzehnte hinweg. Wir können nicht beurteilen, was ein anderer nicht kann bzw. nicht weiß, und wir haben nur bruchstückhafte Information darüber, was er kann und weiß. Dies gilt besonders bei der Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern, mit „psychisch Kranken“ und „Behinderten“.

Im Lande Begonien

Als Reisender musste ich einmal das Land Begonien durchqueren.  Sie haben dort einen wirklich seltsamen Brauch. Es gibt dort nämlich an den Straßen und Wegen des Landes keinerlei Hinweisschilder,  die dir helfen könnten, von Dorf zu Dorf oder von einer Stadt zur nächsten zu finden. An jeder Straßenkreuzung aber stehen Blumen, die du fragen kannst, um von ihnen Auskunft zu erhalten.  Nach der Art, wie sie dir Auskunft geben, unterscheidet man Weiser, Wegweiser und Hinweiser.  Die Hinweiser sind besonders angenehm für all jene Reisenden, die nur einfach möglichst schnell und bequem zu ihrem Ziel kommen wollen. Sie sagen dir freundlich, wohin du gehen sollst.  Die Wegweiser sind oft grob und ungehobelt in ihrer Sprache.  Sie können sehr gehässig klingen. Nichtsdestoweniger können auch sie sehr nützlich sein. Sie sagen dir, wohin du keinesfalls gehen sollst, so du Unglück und Verderben von dir fernhalten willst.  Die Weiser schließlich reden zu dir auf seltsame Art.  Sie sprechen in Rätseln.  Sie beginnen, dir einen Weg zu weisen und fahren fort mit dem anderen.  Sie erzählen dir vom Ziel, doch  nicht, wie du dieses erreichst. Sie stellen dir Fragen anstatt dir zu antworten.  Sie erzählen dir Dinge, deren Sinn du erst später verstehst. Manche Reisende halten das, was die Weiser sagen, für lauter unnützes Zeug.  Doch einige finden erst durch die Weiser ihr Ziel.

Drei Arten von Geschichten gibt es, die therapeutisch wirken: Die einen geben dir ein Vorbild, wie du handeln sollst, die zweiten geben dir ein Zerrbild, wie du keineswegs handeln sollst, die dritten geben dir ein Rätselbild, das dich auf die Suche nach dem richtigen Weg sendet. Es können Beispielgeschichten oder Metaphern sein, mit denen Menschen einander leiten, aber immer wieder nehmen sie diese drei Formen an. Wir träumen auch so in der Nacht: Wir träumen in Lösungsträumen, Alpträumen und Rätselträumen.

Grundsätze Erickson’scher Beratung I

Die meisten Beiträge in HYPS sind Impulse auf der Grundlage der systemischen Beratung sowie der Hypnotherapie, die der amerikanische Psychiater, Hypnotherapeut und Kurzzeittherapie-Pionier Milton H. Erickson entwickelt hat. Hier stelle ich in den nächsten 14 Tagen die Grundsätze Ericksons vor, die ich für meine eigene Arbeit übernommen habe. Erickson gilt als Mitbegründer bzw. Wegbereiter mehrerer Beratungs- und Therapierichtungen (Hypnotherapie, Systemik und Hypnosystemik, NLP, u.a.m.). Seine Arbeit hat weite Teile der heutigen Therapiearbeit beeinflusst und die Kurzzeittherapie aus der Wiege gehoben. Grundsatz meiner Beratung ist also …

Jeder Mensch ist einzigartig.

Darum ist jede Therapie einzigartig.

Praktische Therapieerfahrung hat Vorrang vor jeder Theorie.

Darum darf keine Theorie die Praxis in ein Raster zwängen.

Erickson-Geschichten XII

Erickson erzählt: Ich bekam einen Brief von meiner anderthalbjährigen Enkelin. Ihre Mutter hatte ihn geschrieben. Die kleine Jill war zum ersten Mal im Schwimmbad gewesen. Und sie hatte geweint, als ihr Fuß nass wurde. Sie weinte und klammerte sich an ihre Mutter alsw ihre Hand nass wurde. Und schließlich weinte und schrie sie und klammerrte sich so fest, bis ihre Mutter Jill die ganze Sache in die Hand nehmen ließ. Nun plant sie ihre nächste Fahrt zum Schwimmbad und bringt ihrer Mutter bei: „Lass mich auf meine Weise damit fertigwerden.“ Alle meine Enkel gehen auf ganz unterschiedliche Weise, aber mit großer Entschlossenheit an das Leben heran. Wenn sie etwas tun möchten, tun sie es, aber sie tun es auf ihre Weise. Und die Mütter können das bis ins Detail beschreiben. Ich bewahre ihre Briefe auf, u´nd später sollen sie für die Kinder gebunden werden, wenn sie sechzehn oder siebzehn Jahre alt sind und die mangelnde Intelligenz ihrer Eltern beklagen.

S. Rosen, Die Lehrgeschichten von Milton H. Erickson, Salzhausen (iskopress) 2000, S. 312f.

Von Oase zu Oase

Wenn die Beduinen auf ihren Kamelen von Oase zu Oase ziehen, dann freuen sie sich beim Aufbruch von einem grünen Ort schon auf die Ankunft beim nächsten grünen Flecken. Ein europäischer Reisender wurde einmal an einem Treffpunkt zwischen zwei Oasen zu ihnen gebracht. Er reiste einige Tage mit ihnen. Der Europäer ritt von Wüste zu Wüste und durchquerte auf dem Weg gelegentlich eine Oase. Ihn begleiteten die Sehnsucht nach Schatten und Wasser. Er bewunderte die Beduinen. Sie reiten von Oase zu Oase. Gelassenheit zeichnet sie aus. Die Freude auf die nächste Oase ist ihre stete Begleiterin auf dem Weg durch die Wüste.