Adlerküken

Das hier ist eine Geschichte, die mein Großvater mir erzählt hat, als ich ein Kind war. Ich erzähle sie zum Beispiel Kindern aus Patchwork- und Pflegefamilien und Kindern getrennterziehender Eltern.

Wo genau diese Geschichte sich ereignet hat, weiß ich nicht mehr. Ich glaube, es muss in einem Dorf auf dem Balkan gewesen sein, im ehemaligen Jugoslawien. Ganz genau weiß ich noch dies: Das Adlerküken war aus seinem Nest gefallen. Es war quicklebendig. Als die Familie es fand, schlug es mit den Flügeln und sperrte den Schnabel weit auf. Verletzt war es anscheinend nicht, außer an einer Stelle, wo es ein wenig blutete. Die Eltern der Familie zögerten eine Zeitlang. Sie sahen sich um. Da war weit und breit keine Adlermutter zu sehen und kein Adlervater. Allein auf sich gestellt, wäre das Adlerjunge gestorben. Was sollten sie tun? Die Kinder baten und drängten ihre Eltern, und so nahmen sie es schließlich mit. Zuhause setzten sie es erst einmal in einen Käfig, in dem früher einmal ein Paar Nymphensittiche gewohnt hatten. Weiterlesen

Gesagt – getan?

Im Büro einer Freundin las ich vor vielen Jahren einen Spruch, der mir nicht mehr aus dem Kopf ging, obwohl ich mir den genauen Wortlaut gar nicht hatte merken können. Seinem Sinn nach aber beschäftigte mich der Spruch weiter. Wir hatten beide pädagogisch mit Kindern und Jugendlichen zu tun. Uns beschäftigte, was wir als lehrende oder begleitende Personen dazu beitragen können, dass sich Menschen gut entwickeln. Heute habe ich die Worte in einer Notiz aus früheren Jahren wiedergefunden. Sie lauten so:

Gesagt ist noch nicht gehört.
Gehört ist noch nicht verstanden.
Verstanden ist noch nicht akzeptiert.
Akzeptiert ist noch nicht gewollt.
Gewollt ist noch nicht getan.
Getan ist noch nicht beibehalten.

Webtipp: Das Reich der Möglichkeiten

Ich könnte mir vorstellen, dass diejenigen, die den Film „Validation“ gemocht haben, auch das Video vom „Reich der Möglichkeiten“ schätzen werden. Das ist nun ein ganz anderer Film. Es handelt sich um eine Demonstration des Bostoner Philharmonie-Dirigenten und Cellisten Benjamin Zander, der seine lebensfreundliche Weltanschauung erklärt und sie demonstriert, indem er einen jungen Cellisten unterrichtet. Eine Hommage nicht nur an die Musik, sondern an das Leben und an die Liebe zu den Menschen und zu sich selbst…

Zu finden ist das Video im Blog des systemagazin, das mein geschätzter systemischer Kollege Tom Levold herausgibt.

Ich wünsche euch viel Spaß beim Anschauen!

Puzzlespiel

Beschreibungen wie die folgende verwende ich öfter, wenn ich mit jemandem ein Lerntraining zu machen habe, etwa im Zusammenhang mit Prüfungsvorbereitungen, aber auch zur Unterstützung von Schlaganfallgeschädigten. Die Grundidee stammt aus dem „Handbook of Hypnotic Suggestions and Metaphors“, herausgegeben von D. C. Hammond.

Hast du schon einmal Puzzle gespielt? Mit diesen kleinen Teilen, die allesamt in einander passen? Man muss dazu unter vielen Teilen immer wieder das Richtige finden, das sich in das benachbarte Stück fügt. Ein Puzzle mit tausend Teilen zusammenzusetzen, ist schon eine größere Aufgabe. Das geht nicht an einem Tag! Aber wer einmal gelernt hat, ein Puzzlespiel zusammenzufügen, der weiß, wie er dabei vorgeht. Ich suche meist zuerst die Randstücke. Davon gibt es eine überschaubare Zahl. Ich finde heraus, wie sie zusammen gehören. Andere Puzzlespieler ordnen zuerst die Teile nach ihren vorherrschenden Farben, und probieren dann, welche Stücke zusammen passen. Wenn man einmal ein größeres, zusammenhängendes Stück zusammengesetzt hat, dann wächst dieses Stück oft schnell. Bald wächst es mit einem benachbarten größeren Flecken zusammen, und dieser wieder mit einem anderen. Immer größer werden die zusammenhängenden Stücke, und immer kleiner die Stellen, wo etwas fehlt. Irgendwann einmal ist das letzte Puzzlestück eingefügt. Das Spiel ist vollendet.

Fräulein Gehirn

Hier noch ein Nachtrag. Das ist eine zweite Geschichte, die ich Anna in ihrer ersten Therapiestunde erzählt habe. Seitdem unterhält sie sich öfter mit ihrem Gehirn – etwas, was wir vielleicht alle manchmal tun sollten.

Du weißt natürlich, dass du ein Gehirn hast, und dass es denken kann, nicht wahr? Hast du schon einmal mit deinem Gehirn gesprochen? Nein? Dann ist ja heute Zeit, um damit anzufangen. Wie heißt denn dein Gehirn? Ist es ein Mann oder eine Frau?
Sehr gut… Du kannst also zu deinem Gehirn sagen: „Guten Tag, Fräulein Gehirn!“ und bestimmt wird es antworten: „Guten Tag, liebe Anna“. Du kannst es fragen: „Liebes Fräulein Gehirn, könntest du mir dabei helfen, mich immer zu konzentrieren, wenn meine Lehrerin die Hausaufgaben erklärt?“, und Fräulein Gehirn wird dir antworten: „Natürlich kann ich das, liebe Anna, du hast mich nur noch nie danach gefragt.“ „Ach so“, kannst du dann sagen, „dann bitte ich dich jetzt darum. Würdest du mich bitte immer wach und konzentriert sein lassen, wenn die Lehrerin die Hausaufgaben erklärt, liebes Fräulein Gehirn?“ „Aber selbstverständlich, liebe Anna!“

Webtipp: Prüfungsangst

Eine schöne Website zu Prüfungsangst ist www.pruefungsangst.de. Die Seite ist noch im Aufbau, ist aber jetzt schon sehenswert und sehr informativ. Neben fundierten Informationen zum Thema selbst findet sich dort eine Liste von Beratern und Therapeuten, die Hilfe bei Prüfungsangst anbieten und ein Austauschforum für Betroffene. Der Seitenautor, Nicolai Tassilo Semmler, ist Diplompsychologe, Hypnotherapeut (ausgebildet nach Milton Erickson) und NLP-Trainer in Hamburg.

Natürlich könnt ihr Prüfungsangst auch bei mir hypnotherapeutisch oder im Rahmen von systemischem Coaching bearbeiten. Anfragen per Telefon unter 06301 – 710408, über meine Institutswebsite oder per Mail unter stefan.hammel@hsb-westpfalz.de.

 

Struktur und Inhalt

Vor ein paar Tagen hat mir eine Kollegin entgegengeschleudert, ich hätte keine Meinung, eiere herum wie ein Weichei und sei überhaupt nicht auf Inhalte festzulegen.  Das hat mich verwundert, da ich mich im Umgang mit anderen Menschen meistens als sicher und entschlossen empfinde. So habe ich natürlich protestiert. Später fiel mir ein, dass mir vor Jahren ein anderer Kollege ganz ähnliche Vorwürfe gemacht hat.

Was beide Kollegen gemeinsam haben, ist dass sie Wert auf Fakten legen, auf „Professionalität“ und Abgrenzung vom minder professionellen Verhalten einiger Kollegen und Nicht-Fachleute. Nach einigem Nachdenken stellte ich fest, dass Weiterlesen

Ostereier

Wie findet man Ostereier? Und warum suchen manche Menschen und finden nicht? Für den Fall, dass Sie am Suchen und noch nicht am Finden sind, erlauben Sie mir, so gut ich kann, einige Hinweise zu geben. Möglichkeit eins: Sehr kleine Kinder werden keine Ostereier finden, weil sie nicht wissen, was Ostereier sind. Ohne Anleitung losgeschickt, werden sie womöglich mit Pilzen und Grasbüscheln zurückkommen. Möglichkeit zwei: Etwas größere Kinder wissen zwar, wie Ostereier aussehen, begreifen aber noch nicht, wie „Suchen“ eigentlich geht. Es gibt verschiedene Arten zu suchen. Und in dem Fall, dass man selbst ein Osterei ist, Weiterlesen

Interessenverschiebung

Nach einer langen Zeit im Koma kehrte mein Onkel Dennis mit einer geistigen Behinderung ins Leben der Menschen zurück. Vieles hatte er vergessen und vieles war ihm gleichgültig geworden. Oft deutete er mit dem Finger zum Himmel: „Schau, eine F-14 Tomcat Maschine! Sieh mal, ein Apache-Helicopter!“ Und er beschrieb die Triebwerkstypen, Leistung, Traglast, Cockpitausstattung, Besatzung und Bewaffnung der vorbei fliegenden Maschinen. „Er war im Koreakrieg“, sagte seine Frau. „Aber ich wusste nicht, dass etwas darüber weiß. Wir sind seit 30 Jahren verheiratet, und er hat sich nie dafür interessiert.“

Die Geschichte kann in der Beratung dazu dienen, um deutlich zu machen, dass die Menschen in unserer Umgebung verborgene Fähigkeiten haben, von der die Umgebung nichts weiß – manchmal über Jahrzehnte hinweg. Wir können nicht beurteilen, was ein anderer nicht kann bzw. nicht weiß, und wir haben nur bruchstückhafte Information darüber, was er kann und weiß. Dies gilt besonders bei der Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern, mit „psychisch Kranken“ und „Behinderten“.

Im Lande Begonien

Als Reisender musste ich einmal das Land Begonien durchqueren.  Sie haben dort einen wirklich seltsamen Brauch. Es gibt dort nämlich an den Straßen und Wegen des Landes keinerlei Hinweisschilder,  die dir helfen könnten, von Dorf zu Dorf oder von einer Stadt zur nächsten zu finden. An jeder Straßenkreuzung aber stehen Blumen, die du fragen kannst, um von ihnen Auskunft zu erhalten.  Nach der Art, wie sie dir Auskunft geben, unterscheidet man Weiser, Wegweiser und Hinweiser.  Die Hinweiser sind besonders angenehm für all jene Reisenden, die nur einfach möglichst schnell und bequem zu ihrem Ziel kommen wollen. Sie sagen dir freundlich, wohin du gehen sollst.  Die Wegweiser sind oft grob und ungehobelt in ihrer Sprache.  Sie können sehr gehässig klingen. Nichtsdestoweniger können auch sie sehr nützlich sein. Sie sagen dir, wohin du keinesfalls gehen sollst, so du Unglück und Verderben von dir fernhalten willst.  Die Weiser schließlich reden zu dir auf seltsame Art.  Sie sprechen in Rätseln.  Sie beginnen, dir einen Weg zu weisen und fahren fort mit dem anderen.  Sie erzählen dir vom Ziel, doch  nicht, wie du dieses erreichst. Sie stellen dir Fragen anstatt dir zu antworten.  Sie erzählen dir Dinge, deren Sinn du erst später verstehst. Manche Reisende halten das, was die Weiser sagen, für lauter unnützes Zeug.  Doch einige finden erst durch die Weiser ihr Ziel.

Drei Arten von Geschichten gibt es, die therapeutisch wirken: Die einen geben dir ein Vorbild, wie du handeln sollst, die zweiten geben dir ein Zerrbild, wie du keineswegs handeln sollst, die dritten geben dir ein Rätselbild, das dich auf die Suche nach dem richtigen Weg sendet. Es können Beispielgeschichten oder Metaphern sein, mit denen Menschen einander leiten, aber immer wieder nehmen sie diese drei Formen an. Wir träumen auch so in der Nacht: Wir träumen in Lösungsträumen, Alpträumen und Rätselträumen.