Der Tanz der Einhörner oder: Lalias Geschichte

Im Januar war ich sehr krank. Eine Woche lang hatte ich Fieber, bis über 40 ° Celsius. Tagelang lag ich im Bett, träumte seltsame Dinge, nahm mich selbst kaum mehr wahr und hatte kaum genug Kraft um aufzustehen. Aber irgendwann klang das Fieber ab, ich spürte wieder Leben in mir und war des Herumliegens überdrüssig. Es war kurz vor Mitternacht, ich hatte den halben Tag im Bett verbracht und ich wollte nicht wieder dahin. Immerhin, ich konnte mich schon wieder langeweilen. Zurückgekehrt ins Leben wollte ich ich irgendetwas Schönes oder Sinnvolles tun. So stellte ich meine Kamera auf und fing an zu erzählen…


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Übrigens: Die Fassung der Geschichte von „Tanz der Einhörner“, wie Lalia sie euch hätte erzählen können, findet ihr im Buch „Loslassen und Leben“ oder hier im Blog. Die Geschichte vom Schneckenrennen, die Schlemihl nicht erzählt hat, ist hier aufgeschrieben. Die Geschichte von der kleinen Katze, die Minette Marie Antoinette Pomponette nicht erzählen wollte, findet ihr hier.

Mit Dampfmaschinen gegen Ohrenschmerzen

Meine geschätzte Kollegin Katharina Lamprecht hat mir neulich folgende Geschichte erzählt, die sie mit ihrer Tochter erlebt hat… ich bat sie, mir die Geschichte einmal aufzuschreiben, und sie hat mir den Gefallen getan. Eine Version mit einigen zusätzlichen Details findet sich übrigens in ihrem Blog Zeilenglück

„Als meine Tochter sich mit 17 Jahren die Mandeln entfernen lassen musste, haben uns im Vorfeld alle gewarnt: Schmerzhaft, Gefahr von Nachblutungen, harte Zeiten kämen auf sie zu und die Schmerzmittel würden nur bedingt helfen. Am eifrigsten waren die behandelnden Ärzte, die ihr sogar voraussagten, an den Tagen 5 und 9 nach der Operation bekäme sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit heftige Ohrenschmerzen. Feste Nahrung könne sie frühestens nach 10 Tagen wieder zu sich nehmen.
Ich habe mit ihr vor und direkt nach der Operation, sowie an den darauffolgenden Tagen verschiedene Trancen gemacht, das Ohrenschmerzthema haben wir auf ihren Wunsch hin mit einer, der Feuerzangenbowle entlehnten, „Wat is eine Dampfmaschin, da stelle mer uns mal janz domm“ – Dampfmaschinengeschichte bearbeitet. Am Ende hatte sie keine Ohrenschmerzen, konnte die Schmerzmittel bereits am dritten Tag absetzen und noch im Krankenhaus einen Hamburger essen. Ob das nun alles mit meinen therapeutischen Künsten und ihrem ausgezeichneten Vorstellungsvermögen zusammenhängt, mag dahin gestellt sein. Die Ärzte hat es in jedem Fall überrascht und meine Tochter und mich hat es gefreut.“

Hier der Teil der Trance, der sich auf die Dampfmaschine bezieht:

Und ich möchte dir auch gern von einer Dampfmaschine erzählen.. eine Dampfmaschine, wo der Dampf zirkuliert, durch Röhren und Kanäle… durch Rohre… kleinen und große Tunnel… eustachsche und andere Röhren… Röhren, die Verbindungen haben, von der Ohrenseite zur Nasenseite…. von der Nasenseite zur Rachenseite… von der Ohrenseite zur Rachenseite und egal welche Seiten, überall gibt es Verbindungen und Abzweigungen und alle diese Röhrchen und Tunnel und Leitungen werden gut durchlüftet und durchflutet… genau richtig durchlüftet… die haben genau die richtige Weite… eine gute richtige Weite, damit die Luft gut zirkulieren kann.. wie in einer Dampfmaschine, wo der Dampf zirkuliert… und was ist Dampf schon anderes als Luft, nicht wahr… die Luft zirkuliert und hinein und hinausströmen kann, ganz leicht und ohne Hindernisse… einfach so… ganz leicht… der Weg ist frei, ganz frei.. wir machen den Weg frei… der Weg ist frei wie wenn ein Wind durch unseren Garten weht und die Blätter hinwegpustet, bläst…

Konrad in den Bergen

Vergangenes Wochenende waren wir, die vier Autoren des Krokodilbuches in den Bergen… wie bereits erzählt. Was ich noch nicht erzählt habe: Konrad war auch dabei. Katharina Lamprecht, eine von seinen vier Eltern, erzählt, was er dort erlebt hat.


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Ein Tipp: Im Herbst erscheint das Therapeutische Kartenset „Wie das Krokodil zum Fliegen kam“, passend zum Buch…

Micki

Eine von mir sehr geschätzte Erzählerin, Bettina Betz, hat mir die folgende therapeutisch nützliche Geschichte erzählt, die ich auch mit euch teilen darf…

Nachbarn von uns haben sich einen Hund zugelegt: einen zu klein geratenen Yorkshireterrier mit hellbraunem Fell, Fledermausohren und Knopfaugen. „Das ist Micki. Wir haben ihn aus dem Tierheim“, stellt Gerd, der Nachbar, ihn vor. „Er hat ein Problem. Ein Identitätsproblem: Er denkt, er sei eine Deutsche Dogge. Neulich rannte er auf einen freilaufenden Boxer zu, der sofort in Panik die Flucht ergriff. Sein Herrchen hatte Mühe, ihn wieder einzufangen.“

🙂 Ganz vielen Dank, liebe Bettina Betz!

Die Stunde der Not

In ihr Gesicht hatten sich tausend Falten gekerbt, die sich strahlenförmig um Mund und Augen zogen. Ihrer Körperfülle wegen bewegte sie sich langsam, das Gesicht von einer Seite zur andern verlagernd, wie ein schwankendes Schiff, das im Wellengang auf und ab wogt. Auch aufgestützt auf den Arm ihrer jungen Begleiterin kam sie nur langsam voran. Längst weit hinter den anderen Senioren der Ausflugsgruppe zurückgeblieben, tauchte sie hinein in alte Erinnerungen und begann zu erzählen:

Für mich haben Arbeit und Mühe früh angefangen. Kaum war ich sieben Jahre alt, starb mein Vater. Meine Mutter musste mit uns sechs Kindern in ihr Heimatdorf zurückkehren. Wie hätte sie uns ernähren sollen in der damaligen Zeit? Sie arbeitete bei den Bauern, doch für sieben hungrige Mäuler hat’s nicht gereicht. Wir Kinder mussten auf mehrere Familien verteilt werden. Bekommen hat uns, wer am wenigsten von der Gemeinde verlangte. Ich kam mit meinem sechsjährigen Brunder Kurt zu einer entfernten Verwandten. Wir mussten in Hof und Garten tüchtig mithelfen. An Spielen war nicht zu denken; Kaum ließ uns die Tante Zeit für die Schularbeiten. In unserem kleinen Dorf wurden alle acht Klassen in einem Raum unterrichtet. So war ich wenigstens morgens mit meinem Bruder zusammen, an dem ich sehr hing. Ein Musterknabe war er nicht, der Kurt. Oft hatte ich seinetwegen Händel mit den Kindern. Er brachte sich immer wieder in Schwierigkeiten und ich musste ihn vor den Größeren retten. Als ich neun war und er acht, plünderte er mit seinen Freunden einen Kirschbaum, der ein Stück außerhalb des Dorfes stand. Unglücklicherweise kam der Besitzer dazu. Natürlich rannten die Buben davon, doch erkannte der Bauer sie alle und meldete sie dem Lehrer, der die Bestrafung vorzunehmen hatte. Das war so üblich auf dem Dorf. Am nächsten Morgen ruft der Lehrer die Missetäter mit Namen auf. Einer nach dem anderen erhält eine tüchtige Tracht Prügel. Mein Bruder ist der letzte. Mit wachsender Sorge sehe ich, dass er gleich an die Reihe kommt. Was tun? Kann ich zulassen, dass mein Kurt vor aller Augen verprügelt wird? Nein, lieber will ich selbst verprügelt werden, als solche Schmach mitanzusehen. Aber wie den Lehrer von seinem Vorhaben abbringen? Schon liegt Kurt auf dem Knie des Lehrers, schon holt dieser aus zum ersten Schlag, als ich vorspringe. „Nicht!“, schreie ich, so laut ich kann, doch der Lehrer beachtet mich nicht. Der erste Hieb sitzt. Da beiße ich so fest ich kann in das herausgestreckte Hinterteil des Lehrers. Mit einem Fluch lässt er von meinem Bruder ab, dreht sich nach mir um und hebt wütend die Hand. Als er die Verzweiflung in meinen Augen sieht, lässt er sie sinken. Ich nehme all meinen Mut zusammen. „Bitte, Herr Lehrer, lassen Sie meinen Bruder“, bringe ich mühsam zusammen. „Sie dürfen den Buben nicht schlagen. Wir haben doch keinen Vater.“ Dann breche ich in Tränen aus. „Setzt euch beide“, sagt der Lehrer. Von dem Tag an hat er keinen von uns mehr angerührt. Noch lange riefen mir die Kinder „Arschbeißern“ nach, doch was hat’s mich gekümmert. Das Leben ging weiter. Die Sorgen haben nicht aufgehört. Vier Kinder hab ich großgezogen. Zwei Söhne sind im Krieg geblieben. Vor fünfzehn Jahren starb mein Mann. Jetzt bin ich 78, und es ist gut so. Um keinen Preis der Welt möchte ich von vorne beginnen.“

Die Geschichte verdanke ich meiner Tante Christine Schäfer aus Auenwald, die sie vor über 50 Jahren gehört und aufgeschrieben hat. Die berichteten Erlebnisse haben sich um 1888 abgespielt.

Spiel gegen die Langeweile

Ein vierzehnjähriger Junge kam in Beratung, weil seine Schulleistungen in den letzten Monaten so stark nachgelassen hatten, dass er bei gleichbleibenden Leistungen nicht versetzt werden würde. „Ich habe die Schule nicht besonders gemocht“, sagte ich zu ihm. „Ich war froh als ich sie ‚rum hatte“. „Das werde ich auch sein“, sagte er. „Ehrlich gesagt, hätte ich keine Lust gehabt, ein Jahr länger als nötig in der Schule zu sein. Ich weiß nicht, wie es dir geht.“ „Nee, das muss nicht sein.“ Wäre es dir recht, dass wir etwas dafür tun, dass du dir dass ersparst?“ „Das wär schon gut.“ „Was hindert dich denn daran, mehr für die Schule zu tun?“ „Das interessiert mich einfach nicht.“ „Was interessiert dich denn? Gibt es etwas, was du gern machst?“ „Ich spiele gern Fußball.“ „Einfach so auf der Straße oder im Verein?“ „Ich bin in einem Verein.“ „Spielt ihr da manchmal auch Turniere?“ „Klar. Letztes Jahr waren wir zweiter Bezirksmeister.“ „Ich habe eine Bitte an dich oder einen Vorschlag. Welches Schulfach ist denn am langweiligsten?“ „Englisch.“ „Dann fängst du da an. Wenn Englisch keinen Spaß machst, dann spielst du eben Fußball während der Englischstunde. Du spielst mit deinen Leuten gegen eine sehr starke Mannschaft. Bis jetzt haben sie meistens gewonnen. Du spielst gegen die Langeweile.

Das Spiel geht so: Mal dir in Englisch ein Fußballfeld auf ein Blatt Papier. Immer wenn du plötzlich aufwachst und merkst, d hast gar nichts mitbekommen von dem, was gesagt wurde, hat die Langeweile ein Tor geschossen. Dann machst du einen Strich auf der Seite des Fußballfeldes der der Mannschaft der Langeweile gehört. Immer wenn du dich meldest und etwas Richtiges gesagt hast, hast du ein Tor geschossen. Natürlich willst du bis zum Ende der Stunde mehr Tore schießen als die Langeweile. Du kannst auch einen Schultag als Turnier ausbauen: Jedes Fach ist eine andere Mannschaft der Bezirksliga. Am Ende willst du natürlich Meister sein. Probiere das bitte aus und sag mir beim nächsten Mal, wenn wir uns wiedersehen, was sich verändert hat.

Bis zum nächsten Mal hatten sich die Mitarbeit des Jungen im Unterricht wesentlich verbessert. Die Schule machte ihm mehr Spaß. In den darauffolgenden Wochen zeichnete sich ab, dass auch alle schriftlichen Arbeiten wesentlich besser ausfielen als die Vorherigen. Seine Zeugnisnoten am Schuljahresende waren durchweg ein bis zwei Stufen besser als es für die Versetzung nötig gewesen wäre.

Zauberbrause

Neulich kam ein Vater mit seinem achtjährigen Sohn Alex in Therapie. Der Vater beklagte, Alex sei in den letzten Monaten ungeheuer launisch geworden. In der Schule hätten seine Leistungen stark nachgelassen, vor allem aber sei er gegenüber seinem vierjährigen Pflegebruder Omar unausstehlich. Immer wieder verlange er, dass Omar vom Tisch gehe oder auf sein Zimmer geschickt werde, wenn er unruhig sei, oder er äußere den Wunsch, dass Omar aus der Familie genommen und in ein Heim geschickt werde. „Wenn eine gute Fee käme, und ihr hättet jeder drei Wünsche frei, allerdings nur solche, die in der Welt wirklich in Erfüllung gehen können, was würdet ihr euch wünschen?“ fragte ich die beiden. Der Sohn wünschte sich unter anderem, dass seine Eltern mit ihm alleine etwas unternehmen, und der Vater, dass sei Sohn in besserer Laune sei, vor allem beim Frühstück und beim Fertigmachen für die Schule. Ich fragte, wann diese schlechte Laune denn beginne, ob etwa vorher irgendetwas vorfalle, was das Problem begründe. Nein, das beginne schon beim Aufwachen – da waren sich die beiden einig. „Dann sollten wir das Problem bei der Wurzel anpacken, also vor dem Aufwachen. Ich möchte euch bitten, dass ihr ins Geschäft geht und euch Feenbrause kauft“, sagte ich. „Das ist ein Zauberpulver für gute Laune schon vor dem Aufwachen. Bis wir uns wiedersehen, bitte ich Sie, dass Sie Ihrem Sohn zum Aufwachen das Zauberpulver auf die Lippen streuen, damit er gutgelaunt aufwacht, frühstückt und zur Schule geht. Ist das für Sie beide in Ordnung?“ Beide waren einverstanden. „Aber ihr dürft Omar auf keinen Fall etwas davon erzählen!“, sagte ich. „Sonst will der womöglich auch Zauberbrause, und das muss ja nicht sein, oder?“ Nein, befand Alex. Gestern habe ich die Mutter des Jungen getroffen. „Wie geht es denn Ihrem Sohn?“ fragte ich. „Sehr gut, in der Schule läuft es gut…“ „Und wie hat das mit der Zauberbrause funktioniert?“ „Das haben sie erst gestern angefangen.“ „Und wie war der Morgen?“ „Hm, stimmt… Alex war ausgesprochen gut gelaunt, nicht nur beim Aufstehen und beim Frühstück… er ist dann auch ganz fröhlich zur Schule gegangen.“

Das Müllhalden-Philharmonieorchester

Manchmal bezeichnen Menschen in der Therapie sich selbst, ihr Leben oder einander als kaputt, als Müll, als Schrott… und manchmal nennen sie sich zwar nicht so, aber behandeln sich selbst und einander wie Schrott. Manche verletzen sich selbst, manche versuchen sich, das Leben zu nehmen. All das womöglich, weil sie die Dinge, die in ihrem Leben als wertvoll angesehen werden können, nicht mehr als Wert erkennen.

Ich glaube, dass alles im Leben wertvoll werden und als Wert genutzt werden kann. Alles, auch das Allerunnützeste kann für ein wertvolles Leben genutzt werden. Das heißt nicht, dass es immer leicht wäre, das so zu sehen – im Gegenteil! – „aus Scheiße Rosen machen“ (Virginia Satir) ist höchste Lebenskunst und anspruchsvoll!

Dieser Film erzählt eine Geschichte dazu, was aus Müll – und aus „Müllmenschen“ – werden kann. Ich wünsche euch einen schönen Tag!


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Die rechte Zeit

Diese Geschichte stammt von meinem Kollegen Martin Niedermann, der als Geschichtenerzähler, Coach und Heilpädagoge in Bern lebt und arbeitet. Ich freue mich sehr, dass ich sie mit euch teilen darf!

„Wenn der Schnee auf dem Berg dort oben geschmolzen ist, kannst du dein Gemüse pflanzen“ meinte der alte Bergler zu seinem neuen Nachbarn. „Blödsinn“ dachte dieser und begann gleich in den ersten warmen Frühlingstagen mit der Gartenarbeit, hakte, jätete, lockerte und pflanzte schlussendlich sein Gemüse. Der alte Bergler aber räumte erst einmal ums Haus herum auf, fegte die alten, welken Blätter weg, las die abgebrochenen Äste aus dem Garten, setzte seine Sitzbank am Schärm nach draussen und schaute in den Sonnentagen seinen Nachbarn beim Gärtnern zu.

Als der Schnee auf dem Berg schmolz, begann auch er mit der Gartenarbeit und arbeitete stetig und gemächlich in seinem Garten. Das  Gemüse pflanzte er mehr als zwei Wochen später als sein Nachbar. Und es wuchs und hielt die kleinen Kälteeinbrüche aus, litt auch in der stechenden Frühlingssonne nicht und wuchs langsam zu einem währschaften Gemüsebeet heran.

Auch das Gemüse beim Nachbar wuchs, doch die zuweilen kalten Nächte setzten ihm zu und die übermässig stechende Sonne raubte ihm Kräfte. Ernten konnten beide an den selben Tagen.

Schärm = Dachvorsprung, geschützte Ecke am Haus
währschaft = solide, gut, recht, ordentlich

 

Einen Engel für den Weg

Im vorletzten Jahrhundert lebte in unserer Gegend ein Mann, der bekannt wurde, weil in seiner Umgebung oft Wunder geschehen sind. Menschen, die man für unheilbar krank erklärt hatte, wurden gesund, nachdem er für sie gebetet hatte. Dieser Mann hatte einen besonderen Brauch. Wenn er sich von jemandem verabschiedete, sagte er oft: „Ich gebe dir einen Engel mit auf den Weg.“ Darüber waren viele Leute verwundert. Zum einen gab es schon damals viele, die nicht an Engel glaubten. Und von den anderen mögen viele gesagt haben: „Wie kann er über die Engel bestimmen? Engel hören doch nur auf Gott.“ Ich weiß nicht, ob das stimmen kann. Ich bezweifle sogar, ob Leute, die so etwas sagen, überhaupt irgendetwas von Engeln verstehen. Ich weiß aber, dass viele Leute, die ihn besuchten, einen tiefen Frieden mit nach Hause nahmen und von da an wussten, dass sie behütet sind. Darum ist es mir auch egal, was andere denken, wenn ich jetzt zu dir sage: Ich gebe dir einen Engel mit auf den Weg.