„Manchmal scheint es, als lernte ich wochenlang nichts auf meinem Instrument“, sagte ein Musikschüler, „obwohl ich übe. Dann wieder geht alles ganz schnell voran.“ „Das eine bedingt das andere“, sagte sein Lehrer.
Archiv des Autors: Stefan Hammel
Spielend III
Wenn du ein Musikstück schnell spielst, kannst du jede Schlamperei verstecken. Jeder zu kurze, zu lange, schlecht gespielte oder falsche Ton wird sofort von einem anderen abgelöst. Darum ist es schwieriger, ein Stück langsam zu spielen als schnell. Wer langsam spielen kann, kann spielen!
Spielend II
Die Resonanz im Saxophon erzeugt die zweite Hälfte des Klanges, die Resonanz im Musiker die erste.
(S. Hammel, Handbuch des therapeutischen Erzählens, S. 234.)
Spielend I
Ein Saxophonlehrer fragte seinen Schüler: „Welche Kraft brauchst du, um eine Klappe zu schließen? Nimm diese Kraft, mehr nicht.“
Der Eimer ist leer
Der Eimer ist leer! Der Eimer muss neu befüllt werden! Das ist seltsam. Ich könnte schwören, wir hätten gestern noch Wasser nachgefüllt. Es muss an der natürlichen Verdunstung liegen, dass über Nacht so viel von dem kostbaren Nass verloren gegangen ist. Woran sonst könnte es liegen?
„Die Banken sind leer! Sie müssen dringend rekapitalisiert werden!“ So hat jetzt der scheidende EZB-Präsident Trichet in einem dramatischen Appell ausgerufen. Das mag sein, dass die Eimer und Töpfe dort Niedrigwasser führen. Es mag auch sein, dass sie befüllt werden müssen. Aber haben die Regierungen Amerikas und Europas nicht gerade vor 3 Jahren mit riesigen Bürgschaften und Krediten die Banken befüllt? Von 500 Milliarden Euro war damals die Rede, mit denen die Bundesregierung die Banken damals gestützt hat. Eine halbe Billion. Wäre es am Ende möglich, dass wir einen Eimer befüllen, der löchrig ist? Wäre es möglich, dass aus Bankeigentum unter der Hand im Laufe weniger Jahre Privateigentum wird? Wenn die Banken so schnell arm geworden sind, müsste es doch jemanden geben, der an den armen Banken reich wird? Kann es sein, dass ein Staat Banken unterstützt, ohne Prozesse zu unterbinden, die dazu führen, dass deren Kapital unter der Hand privatisiert wird oder auf andere Art gebunden wird und für die Bank keine Sicherheit mehr darstellt?
Das ist ein bisschen so, als ob ich einem überschuldeten Menschen in therapeutischer Absicht seine Rechnungen bezahlte, und übersehe, dass er das Verhalten, das zu seinem finanziellen Ruin geführt hat, weiter führt. Und, nachdem ich bemerkt habe, dass er wieder in Geldnöten ist, seine nächsten Rechnungen ebenso bezahle. Wie lange kann ich einen solchen Menschen stützen und mich weiterhin professionell nennen? Und natürlich auch: Wie lange kann ich mir das selbst leisten? Es ist auch ein bisschen so, als ob man eine Alkoholtherapie mit einem Klienten macht, während dieser zwischen den Therapiepausen weitertrinkt. Oder eine Paartherapie mit einem Paar, während ein Partner fortgesetzt fremdgeht. Oder eine Therapie mit einem Gewalttäter, der stetig weiter Gewalt verübt. Und der Therapeut therapiert weiter in dem Gedanken: Ich muss dem Menschen doch helfen. Ich kann doch nicht tatenlos zusehen…
Wenn man als Therapeut Energie in ein System investiert, dem stetig Energie entzogen wird, ohne die Quelle des Energieverlusts zu stopfen, dann ist das unprofessionell. Ich möchte so nicht arbeiten.
Ich frage mich: Wie lange kann man ein System stabilisieren, das sich selbst unablässig destabilisiert – ohne das System so zu verändern, dass die Unterstützung nicht alle paar Jahre wiederholt werden muss? Und wer profitiert im Zeitraum bis zum nächsten Zusammenbruch von der Unterstützung?
Occupy Wall Street, oder: Aufklärung heute
„Der Grund, warum wir hier sind, ist, weil wir genug haben von der Welt, … in der 1 % an die verhungernden Kinder geht. Das reicht, um uns ein gutes Gefühl zu geben. Nachdem wir die Arbeit und die Folter outgesourct haben. Und die Partneragenturen outsourcen unser Liebesleben täglich. Wir erkennen, dass wir für eine lange Zeit unser politisches Engagement outgesourced haben. Wir wollen es zurück.“
Das hat am Wochenende der Philosoph und Psychoanalytiker Slavoj Zizek in einer Rede in Wall Street geäußert. Sehr bemerkenswert an dieser Occupy-Wall-Street-Bewegung scheint mir, dass diese Leute die Ursache der ökonomischen Misere vieler Amerikaner und vieler Menschen in anderen Ländern nicht ausschließlich in einem Fehlverhalten von Politikern und Spekulanten sehen. Sie sehen die Ursache in einem System, von dem sie selbst ein Teil sind. Sie wollen dieses System verändern und dabei offenbar bei sich selbst anfangen.
Wer auf die Website von Occupy Wall Street schaut, findet dort auch deren Veranstaltungskalender. Am Wochenende gab es neben der Vorlesung des Philosophen und Kulturkritikers Zizek dort eine Vorlesung eines Philosophieprophessors aus der Schweiz über „das Ende des Finanzdenkens und die transformation der globalen Klassenstruktur“. Gestern gab es eine Gedenkveranstaltung zum Genozid an den Eingeborenen Amerikas, eine „Einführung in Basisdemokratie“, heute vermittelt eine Professorin „Grundlagen des Aktienmarktes“, danach gibt es einen Vortrag „Warum soziale Ungleichheit die Wirtschaft destabilisiert (und was wir dagegen tun können)“.
Es ist bemerkenswert, dass diese Leute sich selbst als Teil des Systems, das sie unterdrückt hat, wahrnehmen und daran arbeiten, sich ihre politische Mündigkeit von diesem Standpunkt aus aktiv zurückerobern.
Das erinnert an die Gedanken, die Immanuel Kant vor langer Zeit geäußert hat:
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines andern zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.
Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung freigesprochen …, dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen.
In der Medizin und Psychotherapie wünschen viele Patienten und Klienten weiterhin, dass der Fachmann oder die Fachfrau für sie wissen möge, was richtig ist. Ich werde nicht müde, meinen Klienten zu sagen: „Sie sind die Königin! Sie sind der König. Die Ärzte und Berater und aucIhrychotherapeut – wir sind nur Ihre Minister.“ Manchmalfüge ich noch hinzu: „Wir haben spezielle Erfahrung, die Ihre Erfahrung wertvoll ergänzt. Aber wir machen nur Vorschläge, und Sie entscheiden, was Sie annehmen und was Sie verwerfen. Sie können mich jederzeit entlassen.“ Ich habe den Eindruck, manche Klienten verwundert das, und viele wollen das auch gar nicht. Sie wollen, dass ich für sie entscheide, was gut ist.
Zum Glück scheint die Zahl derer mehr zu werden, die nicht behandelt werden möchte, sondern beraten. Und die dann selbst entscheiden, was sie wählen und was sie verwerfen. Indessen – sicher bin ich mir darüber nicht. Ich weiß nur, dass ich es mir wünsche.
Strandspaziergang
Durch Ablenkung kann man manchmal Überraschendes einiges erreichen… Man kann damit zum Beispiel Schluckauf bekämpfen. Die folgende Geschichte zeigt, wie nützlich die Ablenkung auch für eine mentale Anästhesie sein kann. Man fokussiert die Aufmerksamkeit auf etwas, was für den Gesprächspartner bedeutungsvoll ist, womit er sich auch angesichts aktuell möglicher Schmerzen gerne befasst und was mit diesem eventuell leidvollen Erleben gar nicht zusammenpasst…
Ein Arzt musste einer Patientin einen großen Zehennagel operativ entfernen. Die Patientin vertrug jedoch keinerlei Schmerzmittel. „Wie soll ich das denn tun?“, fragte er sie. „Bei wachem Bewusstsein? – das ist doch Folter!“ Die Patientin zuckte mit den Achseln. „Wo sind Sie denn bisher am liebsten in Urlaub gewesen?“ fragte er. „An der Ostsee“, erzählte sie. „Ich habe dort mit meinem Mann so wunderschöne Spaziergänge am Strand entlang unternommen.“ „Erzählen Sie doch davon, und bleiben Sie ganz tief in Ihrer Erzählung“, erwiderte der Arzt. „Bleiben Sie ganz in der Erinnerung und beschreiben Sie mir alles, was Sie dort sehen, hören, fühlen, schmecken und riechen können, auf Ihrem Spaziergang.“ Die Frau erzählte und erzählte. „Jetzt kommt ein Sturm“, sagte sie, als der Arzt mit seiner Arbeit begann. Sie sah den Sturm kommen, und sie blieb dabei ganz ruhig.
Quelle: Handbuch des therapeutischen Erzählens, S. 79, Stefan Hammel
Das Myom II
„Wenn du heute Nachmittag aufwachst“, so sagte ich zu der Freundin, „ist die Operation vorüber, und das Myom ist weg. Du hast dich gefragt, ob es einen Auslöser für seine Entstehung gab. Eigentlich ist es egal, was der Auslöser war. Was du tun kannst, ist dies: Erinnere dich an belastende und vielleicht traumatische Erlebnisse und an andere Dinge, die du loslassen und loswerden möchtest. Packe alles, was du nicht mehr brauchst, in Gedanken in das Myom. Und wenn du heute Nachmittag aufwachst, hast du sie mit auf den Weg geschickt.“
Die Freundin äußerte später, sie habe den Vorschlag umgesetzt und ihre Reaktionen auf verschiedene belastende Erlebnisse ihrer Vergangenheit in das Myom verlagert. Sie habe das Vorgehen als befreiend erlebt. Nach der Operation habe sie sich sehr schnell erholt und habe sich kraftvoller und aktiver als in den Monaten zuvor gefühlt.
Das Myom I
Bei einer befreundeten jungen Frau in meinem Bekanntenkreis wurde ein Myom im Außenbereich des Uterus mit einer Größe von 67 mm x 52 mm x 58 mm gefunden. Aus verschiedenen Gründen war eine Operation erst viereinhalb Monate später möglich, und so nutzten wir die Zeit, um suggestiv auf den Tumor einzuwirken.
Die Frau verstand den Tumor unter anderem psychosomatisch in Verbindung mit einem unerfüllten Kinderwunsch oder einem ambivalenten Umgang mit dem Thema der Familiengründung. Ich erzählte ihr, wie Therapeuten bei anderen Geschwulsten vorgegangen sind, und schlug ihr vor, sich aus den Berichten das für sie Passende herauszusuchen und ihre individuellen Suggestionen daraus zu formulieren. Ich erzählte von den Erfahrungen anderer Patienten mit Visualisierungsübungen, etwa bei der hypnotherapeutischen Unterstützung der Behandlung von Brustkrebs und Karzinomen im Bauchbereich und von Methoden, mit denen auf Warzen und Lipome Einfluss genommen werden kann. Ich erzählte ihr, dass fortlaufende Zellteilung prinzipiell eine wunderbare Sache sein könne, aber wohlgeordnet und zielgerichtet, zu passender Zeit an passendem Ort, sprich, in einer Gebärmutter, nicht außerhalb. Letzteres fasste ich als ein Missverständnis des Körpers in bester Absicht auf, das im Gespräch oder Selbstgespräch mit dem Körper aufzuklären sei. Ich schlug ihr vor, den Körper, die Gebärmutter und das Myom direkt anzusprechen und ihnen zu sagen, was sie von ihnen wünsche. Sie tat das auf ihre Art, indem sie sich im Internet einen Film anschaute, in dem gezeigt wurde, wie ein Myom während einer Operation in Scheiben geschnitten und in kleinen Portionen entfernt wird. Anschließend bat sie ihren Körper, diesen Film als Vorbild zu nehmen und das Myom Scheibe für Scheibe zu entfernen.
Sechs Wochen später äußerte sie, das in den vorangegangenen Wochen spürbare Druckgefühl im Bauch sei verschwunden, und das Erleben, häufig und dringend Wasser lassen zu müssen, sei nicht mehr vorhanden. Geträumt habe sie, sie hätte das Myom in der Größe eines kleinen Fingernagels gesehen. Eine neue Messung des Myoms vor der Operation, knapp viereinhalb Monate nach der Diagnosestellung, ergab eine Größe von 58 mm x 52 mm x 54 mm. Der Unterschied könnte als Messungenauigkeit gedeutet werden oder als Hinweis darauf, dass sich der Tumor in Länge und Höhe reduziert hat. Die Frau selbst ging davon aus, dass sich das Myom in Folge der Autosuggestion verkleinert hatte, entschied sich aber dennoch für die Operation als einen relativ kurzen und sicheren Weg der Problembehebung.
Hypnotherapie nach den Verfahren von Milton Erickson – Ausbildung in Kaiserslautern
Ab dem 14.10.2011 bietet das Institut für Hypnosystemische Beratung (hsb) in Kaiserslautern wieder eine 24-tägige Grundausbildung „Hypnotherapie nach den Verfahren von Milton Erickson“ an. Die Seminare finden in 3-Tages-Blocks von Freitag 15.00 bis Sonntag 15.00 statt; sie sind ausgesprochen praxisbezogen und übungsorientiert. Die Ausbildung wird zertifiziert durch das Institut für Hypnosystemische Beratung Westpfalz (hsb) in Kaiserslautern.
Die Ausbildung verknüpft das Vorgehen des Hypnotherapie-Pioniers Milton Erickson mit therapeutischen Erzähltechniken und mit systemisch-konstruktivistischen Techniken der Ziel- und Auftragsklärung, der Klienten-, Ressourcen- und Lösungsorientierung.
Ziel ist es, klinisch fundierte Seminare auf höchstem Niveau anzubieten. Dazu gehört, zahlreiche formelle und informelle Induktionstechniken auch bei „schwierigen“ Hypnotisanden erfolgreich anzuwenden, therapeutische Suggestionstechniken flexibel einzusetzen und in neue Bereiche zu übertragen, ein ethisch hochstehendes und nebenwirkungssicheres Niveau der Hypnose umzusetzen, mit hohem Rapport zu arbeiten, nonverbal und auf mehreren Ebenen gleichzeitig therapeutisch zu kommunizieren und das Einzigartige jeder Therapiesituation zu utilisieren.
Die Hypnotherapie-Ausbildung in Kaiserslautern wendet sich an Ärzte, Psychologen und Heilpraktiker sowie an Beratungspersonen anderer Berufe. Die Ausbildung ist bei der Landesärztekammer Rheinland-Pfalz zur Zertifizierung für Ärzte angemeldet.
Die Kosten liegen bei 2400 Euro für 24 Tage – bis zum 31. August gilt noch eine Ermäßigung für Voraus-Zahlende von 200 Euro. Studierende zahlen jeweils die Hälfte. Die Termine, Inhalte und weitere Einzelheiten findet ihr auf meiner Webseite. Ebenfalls habe ich dort die Feedbacks früherer Ausbildungsteilnehmer veröffentlicht.
Gerne könnt ihr mich auch persönlich über die Ausbildung befragen, z.B. per Mail auf diesem Weg. Ich freue mich auf und über eure Rückmeldung!
Übrigens: Ein Beispiel für eine Hypnoseinduktion im Stil Ericksons wie sie im Rahmen dieser Ausbildung erlernt werden, könnt ihr hier anhören und ausprobieren! Im Rahmen der Induktion wird Wissen und Erfahrung darüber vermittelt, was Trance und was Hypnose ist und welche Phänomene dabei typischerweise auftreten.