Grundsätze Erickson’scher Beratung I

Die meisten Beiträge in HYPS sind Impulse auf der Grundlage der systemischen Beratung sowie der Hypnotherapie, die der amerikanische Psychiater, Hypnotherapeut und Kurzzeittherapie-Pionier Milton H. Erickson entwickelt hat. Hier stelle ich in den nächsten 14 Tagen die Grundsätze Ericksons vor, die ich für meine eigene Arbeit übernommen habe. Erickson gilt als Mitbegründer bzw. Wegbereiter mehrerer Beratungs- und Therapierichtungen (Hypnotherapie, Systemik und Hypnosystemik, NLP, u.a.m.). Seine Arbeit hat weite Teile der heutigen Therapiearbeit beeinflusst und die Kurzzeittherapie aus der Wiege gehoben. Grundsatz meiner Beratung ist also …

Jeder Mensch ist einzigartig.

Darum ist jede Therapie einzigartig.

Praktische Therapieerfahrung hat Vorrang vor jeder Theorie.

Darum darf keine Theorie die Praxis in ein Raster zwängen.

Erickson-Geschichten XII

Erickson erzählt: Ich bekam einen Brief von meiner anderthalbjährigen Enkelin. Ihre Mutter hatte ihn geschrieben. Die kleine Jill war zum ersten Mal im Schwimmbad gewesen. Und sie hatte geweint, als ihr Fuß nass wurde. Sie weinte und klammerte sich an ihre Mutter alsw ihre Hand nass wurde. Und schließlich weinte und schrie sie und klammerrte sich so fest, bis ihre Mutter Jill die ganze Sache in die Hand nehmen ließ. Nun plant sie ihre nächste Fahrt zum Schwimmbad und bringt ihrer Mutter bei: „Lass mich auf meine Weise damit fertigwerden.“ Alle meine Enkel gehen auf ganz unterschiedliche Weise, aber mit großer Entschlossenheit an das Leben heran. Wenn sie etwas tun möchten, tun sie es, aber sie tun es auf ihre Weise. Und die Mütter können das bis ins Detail beschreiben. Ich bewahre ihre Briefe auf, u´nd später sollen sie für die Kinder gebunden werden, wenn sie sechzehn oder siebzehn Jahre alt sind und die mangelnde Intelligenz ihrer Eltern beklagen.

S. Rosen, Die Lehrgeschichten von Milton H. Erickson, Salzhausen (iskopress) 2000, S. 312f.

Von Oase zu Oase

Wenn die Beduinen auf ihren Kamelen von Oase zu Oase ziehen, dann freuen sie sich beim Aufbruch von einem grünen Ort schon auf die Ankunft beim nächsten grünen Flecken. Ein europäischer Reisender wurde einmal an einem Treffpunkt zwischen zwei Oasen zu ihnen gebracht. Er reiste einige Tage mit ihnen. Der Europäer ritt von Wüste zu Wüste und durchquerte auf dem Weg gelegentlich eine Oase. Ihn begleiteten die Sehnsucht nach Schatten und Wasser. Er bewunderte die Beduinen. Sie reiten von Oase zu Oase. Gelassenheit zeichnet sie aus. Die Freude auf die nächste Oase ist ihre stete Begleiterin auf dem Weg durch die Wüste.

Der Nagel

Als der Umzug bewältigt ist, schaue ich noch einmal zum Abschied durch all die leeren Räume. Im Schlafzimmer bleibe ich stehen und stutze. Da, wo vorher das Kopfende des Bettes gewesen ist, da starrt mich tatsächlich aus der Wand ein Nagel an. So will ich die Wohnung nicht übergeben. Den Nagel will ich schon entfernen. Doch die Wohnung ist leer, und ich habe keine Zange zur Hand. Ich gehe hin und ziehe an dem Nagel. Nichts geschieht. Ich rüttele daran. Nichts geschieht. Wirklich gar nichts? Zumindest scheinbar nichts. In meinem Kopf nämlich geschieht etwas: Ich beginne darüber nachzudenken, wie lange ich an diesem Nagel würde rütteln müssen, bis er, anstatt nach vorne, sich immerhin seitwärts bewegen würde. Tage, Monate, Jahre? So lange nicht! Ich tue nun so, als ob ich diesen Nagel seitlich bewegte, hin und her, hin und her. Ich brauche eine ganze Weile, eine Viertelstunde ungefähr. Dann meine ich eine kleine seitliche Veränderung wahrzunehmen. Nach einer weiteren Viertelstunde des seitlichen Bewegens bewegt sich der Nagel ganz deutlich zur Seite. Nach einer weiteren Viertelstunde macht er seinen ersten kleinen Ruck nach vorne. Nach einer Stunde habe ich ihn in der Hand. Er ist draußen. Ich nehme Spachtelmasse und verschließe das Loch.

Die Geschichte erzähle ich, um langjährige chronische körperliche, seelische oder soziale Symptome anzulösen. Sie dient dazu, selbst Nicht-Veränderung bzw. mikroskopische, noch nicht wahrnehmbare Verändrungen als den Beginn einer größeren Veränderung plausibel zu machen, die Zähigkeit der Klienten im Trainieren und Erhoffen von Veränderung zu erhöhen. Die Geschichte ist beispielsweise nützlich in der Schlaganfalltherapie und in der Therapie von Migräne.

Das Unterrichtsfach „Glück“

An der Heidelberger Willy-Hellpach-Schule wird jetzt erstmals das Unterrichtsfach „Glück“ angeboten.

Der Schulleiter, Ernst Fritz-Schubert, hat das Unterrichtsfach erfunden und mit einer Arbeitsgruppe ein Unterrichtskonzept entworfen. Er hat das Kultusministerium Baden-Württemberg überzeugt, das aber lieber konservativ von „Lebenskompetenz“ spricht, statt von „Glück“. Das Fach wird sowohl an der zweijährigen Berufsfachschule als auch am Wirtschaftsgymnasium angeboten. Das Interesse am Unterrichtsfach „Glück“ ist groß, mehr als 50 Schüler und Schülerinnen haben sich bereits angemeldet. Der Lehrplan greift weit in die Abenteuer des Alltags hinein. Es geht um Sinnfindung, um Gesellschaft, Gemeinschaft und Umwelt, um Esskultur, Erfahrung der Leistungsgrenzen, Gruppenerlebnisse und Körpersprache. Der Unterricht des Fachs „Glück“ gestaltet sich anders als ein herkömmliches Fach. Es wird Theater gespielt, Betriebe werden besichtigt, Konzentrations- und Bewegungsübungen gelernt und Wunder am Wegesrand entdeckt. Schauspieler, Systemtherapeuten und Motivationstrainer gestalten den Unterricht mit. Mit einfachen Übungen werden die positiven Emotionen der Schüler verstärkt: Zwei Schüler sitzen Rücken an Rücken. Der eine nennt eine schlechte Eigenschaft an sich selbst, der andere soll sie positiv umformulieren. Zum Beispiel: „Ich bin faul.“ – „Du denkst an dich.“ Oder: „Ich trainiere nicht den linken Fuß“ – „Du hast einen starken rechten.“

„Es ist unser Ziel, starke, zuversichtliche Persönlichkeiten zu formen. Dazu gehört die Fähigkeit, sich zu freuen, zu reflektieren und sich wohlzufühlen, körperlich wie seelisch“, so Schubert. Die Botschaft lautet also: Glück ist erlernbar!

Quellen: www.ichp.de, www.whs.hd.bw.schule.de

Das Worfeln

In Ländern, wo ein kräftiger Wind über das Land fegt und die Felder fruchtbar macht, gibt es unter den Bauern einen Brauch, den man das Worfeln nennt. Jedes Jahr nach der Ernte, wenn sie das Korn gedroschen haben, bringen sie es nach draußen vor die Scheune. Sie werfen das Getreide gemeinsam in die Luft. Die guten, schweren Kerne fallen dann nach unten, während die leichte Spreu vom Wind davon getragen wird. Die schwerste Arbeit dabei macht der Wind. Wer weiß, ob man nicht auch Gedanken worfeln kann?

Die Geschichte aus dem Buch „Der Grashalm in der Wüste“ verwende ich, wenn jemand seine Gedanken ordnen möchte, seine Konzentration oder Gedächtnisleistung optimieren will oder wenn sich jemand mit einer gedanklichen bzw. emotionalen Aufgabe schwer tut.

Mentale Spiele I

Von Kindern kann man einiges lernen. Viele Kinder haben unsichtbare Freunde, die ihnen helfen. Wozu die wohl gut sind?

Haben Sie schon einmal festgestellt, dass Sie schwungvoller aufräumen, wenn Ihre unsichtbaren Begleiter – R2D2, Superman oder die 7 Zwerge – vor und neben Ihnen her Ordnung machen? Das steckt an! Haben Sie auch schon bemerkt, dass die Steuererklärung besser von der Hand geht und außerdem mehr Spaß macht, wenn 5 Klone Ihres Steuerberaters Ihnen die Materialien vorsortieren, Sie mit hilfreichen Tipps versorgen und Ihnen dabei erzählen, dass Sie die Sache im Vergleich zu einigen anderen Kunden durchaus sehr gut angehen? Wenn Sie sich in schwierigen Fragen von Siegmund Freud, Albert Einstein und John Rockefeller beraten lassen, geben Sie den drei Herren doch jeweils eine Stimme und hören Sie deren Worte laut. Voraussetzung ist natürlich, dass niemand in der Wohnung ist, der Sie für verrückt erklärt, wenn Sie mit Einstein & Co. Gespräche führen.

Webtipp: Schneckenrennen

Zum Thema „Schneckenrennen“ gibt es in diesem Blog ja bereits zwei Beiträge und eine Audiodatei. Das fünfminütige Video „a snail’s dream“aus der Reihe „minuscule“ zeigt, wie man von der schnöden Wirklichkeit zu seiner Vision findet, und wie von der unerreichbaren Vision zur schönen neuen Wirklichkeit. Das Video könnte als Impuls in Coaching und Therapie durchaus nützlich sein, wenn es um Themen geht wie: Erfolg, Geschwindigkeit, Entwicklung und Umsetzung von Visionen. Schaut euch das Video doch einmal an, es ist allerliebst! (Ein weiterer minuscule-Film, bei dem eine Schnecke an einem Rennen teilnimmt, ist hier zu finden.) Reale Schneckenrennen werden übrigens in Heckelberg in der Schweiz veranstaltet. Einzelheiten dazu findet ihr hier.