Der Lohn guter Arbeit

Manchmal spreche ich mit Klienten darüber, welche Art von Arbeit vom Arbeitgeber und den Kunden tatsächlich belohnt und anerkannt wird – und vor allem, ob ihre Arbeitsweise wirklich in ihrem eigenen Interesse ist. Auch am Arbeitsplatz ist oftmals nichts so, wie es scheint. Manchmal erhoffen sich Menschen Anerkennung für die Arbeit nach ihren eigenen Werten statt nach denen der anderen und manchmal übersehen sie, dass der andere kein Verhältnis zum Vorteil beider Parteien anstrebt. Manchmal lassen sie sich täuschen und manchmal betrügen sie sich selbst. Manchmal verlangt der Betrieb etwas, was dem Betriebsklima, der Kundenzufriedenheit und dem Umsatz schadet, und manchmal verlangt er nur, dass die Arbeitenden sich selbst schaden. Gelegentlich gibt es auch die Kombination von weisen Chefs mit weisen Untergebenen und weisen Kunden. Ein genaues Hinschauen: „Was nutzt wem wie lange?“ lohnt sich aber doch immer wieder.

Es war in einem pfälzischen Dorf im 18. Jahrhundert. Der Ortsvorsteher erbat von der französischen Besatzung nach zehn Jahren gewissenhafter Amtsführung die Versetzung in den Ruhestand. Die Behörde prüfte das Ansinnen und antwortete: „Geehrter Herr, da Sie Ihren Dienst in all den Jahren so ausgezeichnet versehen haben, lehnen wir Ihre Entlassung in den Ruhestand ab.“

Ein Mädchen wie Robin Hood

Hier eine Fallgeschichte aus meiner Praxis. Die Namen und ein paar andere Einzelheiten sind, wie üblich, geändert. Mir hat die Arbeit sehr viel Spaß gemacht…

Whei-Ing war dreizehn. Ihre Mutter brachte sie in Therapie, weil sie wiederholt im Kaufhaus gestohlen hatte. Sie erzählten mir, wie die Mutter ein chinesisches Restaurant führte, der Vater ein Geschäft mit asiatischen Lebensmitteln betrieb und die Tochter der Mutter des Öfteren im Restaurant half. Ich fragte Whei-Ing nach ihrem Taschengeld. Sie fand, dass sie genug bekäme, und ihre Mutter erklärte, sie könne mehr haben, wenn sie fragte, doch sie wolle nicht mehr. Während Whei-Ing das Wort „Geld“ verwendete, klang ihre Stimme ein wenig brüchig, so, als ob sie für eine Sekunde heiser wäre. „Woran denkst du, wenn du das Wort „Geld“ hörst?“, unterbrach ich sie. „Nenne mir einige Begriffe“. „Sie nannte ihre Assoziationen. Beim Wort „Trauer“, klang ihre Stimme wieder ein wenig brüchig. „Woran denkst du, wenn du Trauer hörst?“ „An Armut“, antwortete sie, und wieder war ein veränderter Schlag in ihrer Stimme. „Woran denkst du bei Armut?“ „Meine Mutter sagt immer, wir sind arm. Und mein Vater schickt alles Geld, was wir sparen oder ausgeben könnten, zu seiner Mutter und den Geschwistern nach China.“ Und sie weinte.
„Du hast den bestmöglichen Grund, um zu stehlen“, sagte ich zu Whei-Ing. „Du stiehlst aus Liebe, um deine Mutter zu schonen. Trotzdem machst du deine Mutter versehentlich damit unglücklich und schadest dir selbst. Du hast wunderschöne Gründe, um zu stehlen, aber sie funktionieren nicht. Ich möchte, dass du aus Liebe zu deiner Mutter damit aufhörst.“
Zur Mutter sagte ich: „Sie können stolz sein auf soviel Liebe und Zusammenhalt in der Familie. Reden Sie nicht mehr über Armut, und geben Sie bis zum nächsten Treffen mit Ihrer Tochter Geld aus für etwas Schönes“. Sie schien nicht zu verstehen, was ich von ihr wollte und fragte wiederholt nach. „Das wird mir sehr schwer fallen“, antwortete sie dann. Sie wand sich und kicherte. „Ich habe so etwas in meinem Leben noch nie gemacht.“ „Das ist jetzt ihre Aufgabe.“
In den nächsten Wochen erfuhr ich, dass der Vater seiner Frau und Tochter einen Urlaub in Hongkong spendiert habe. „Veranstalten Sie jede Woche ein Klein-Hongkong“, verlangte ich. Bald erzählten sie mir, dass sie gemeinsam einkaufen gingen, und ins Kino gegangen waren. Mehr der Form halber hatten sie den Vater gefragt, ob er mitkäme. Er ging mit ihnen zusammen zum ersten Mal in ein Kino und kaufte der Familie zum ersten Mal Popcorn. „Ihr braucht jetzt nicht mehr zu kommen“, erklärte ich. Ich erhielt Urlaubspostkarten von Whei-Ing und ihrer Mutter aus Hongkong und Schanghai.

Antworten, die keine sind…

Mit einer Freundin hatte ich vor einiger Zeit das folgende Gespräch. Ich verwende es seitdem, um eine Methode zu illustrieren, wie sie schimpfende, schreiende, hänselnde, sarkastische oder anderweitig verletzende Menschen zum Schweigen bringen können. Die Freundin begann:

„Vorhin hat mich eine Frau angeschrien, weil ich in ihrer Hofeinfahrt gewendet habe.“ „Was hast du geantwortet?“ „Ich habe gesagt: ‚Ich danke Ihnen, denn Sie haben mich traurig gemacht, und darüber bin ich sehr glücklich.’ Dann bin ich gefahren.“

Meine Nichte wiederum erzählte mir: „Heute habe ich den größten Dummschwätzer der Klasse zum Schweigen gebracht“. Ich fragte: „Wie hast du das gemacht“. Sie sagte: „Ich hab ihm geantwortet: ‚Kauf dir’n Regenschirm.‘ Das hat bisher bei jedem geholfen.“

Ich erzählte diese Geschichte einem Bekannten. er sagte: Ich rufe in diesen Fällen immer: „Vögelchen füttern gehen!“

Der amerikanische Psychiater und Hypnotherapeut Milton Erickson stieß einmal an einer Straßenecke mit einem anderen Mann zusammen. Erickson schaute ihn an, schaute auf seine Uhr und sagte steif: „Es ist exakt 14 Uhr 10“, wobei die wirkliche Uhrzeit eine völlig andere war. Dann ging er wortlos weiter. An der nächsten Straßenecke drehte er sich nochmal um und stellte fest, dass der Mann immer noch erstarrt am selben Platz stand.

In seiner Ausbildung kritisierte ein Chefarzt Erickson vor anderen und ließ ihn schlecht dastehen. „Mögen Sie Schnee?“ fragte Erickson den Chef. Als dieser irritiert reagierte, sagte er: „Ja, diese wunderschönen kleinen Kristalle. Wenn der Schnee getaut ist, kommen die Schneeglöckchen. Ich liebe Schneeglöckchen.“ Dem Chef fiel keine Antwort darauf ein, allerdings hatte er auch vergessen, was er vorher gerade sagen wollte.

In England gab es eine Untersuchung darüber, welche Antworten Bankräuber bei Überfällen mit vorgehaltener Pistole in die Flucht geschlagen haben. Dazu gehörten Äußerungen wie: „Dieser Schalter ist geschlossen. Gehen Sie bitte an Schalter 10“ und „Tut mir leid, ich bin noch in der Ausbildung und darf keine Auszahlungen vornehmen.“

Puzzlespiel

Beschreibungen wie die folgende verwende ich öfter, wenn ich mit jemandem ein Lerntraining zu machen habe, etwa im Zusammenhang mit Prüfungsvorbereitungen, aber auch zur Unterstützung von Schlaganfallgeschädigten. Die Grundidee stammt aus dem „Handbook of Hypnotic Suggestions and Metaphors“, herausgegeben von D. C. Hammond.

Hast du schon einmal Puzzle gespielt? Mit diesen kleinen Teilen, die allesamt in einander passen? Man muss dazu unter vielen Teilen immer wieder das Richtige finden, das sich in das benachbarte Stück fügt. Ein Puzzle mit tausend Teilen zusammenzusetzen, ist schon eine größere Aufgabe. Das geht nicht an einem Tag! Aber wer einmal gelernt hat, ein Puzzlespiel zusammenzufügen, der weiß, wie er dabei vorgeht. Ich suche meist zuerst die Randstücke. Davon gibt es eine überschaubare Zahl. Ich finde heraus, wie sie zusammen gehören. Andere Puzzlespieler ordnen zuerst die Teile nach ihren vorherrschenden Farben, und probieren dann, welche Stücke zusammen passen. Wenn man einmal ein größeres, zusammenhängendes Stück zusammengesetzt hat, dann wächst dieses Stück oft schnell. Bald wächst es mit einem benachbarten größeren Flecken zusammen, und dieser wieder mit einem anderen. Immer größer werden die zusammenhängenden Stücke, und immer kleiner die Stellen, wo etwas fehlt. Irgendwann einmal ist das letzte Puzzlestück eingefügt. Das Spiel ist vollendet.

Möwenfelsen

Hier ist eine Geschichte, die ich Kindern aus Patchwork-, Adoptiv- und Pflegefamilien erzähle. Entwickelt habe ich sie zuerst für eine sehr introvertierte Jugendliche, die im gemeinsamen Urlaub – heimlich, auf eigene Initiative und ohne Erlaubnis ihrer Adoptiveltern – begonnen hat, Paragliding zu lernen.

Vielleicht hast du auch schon einmal an einem Möwenfelsen gestanden und horchtest auf das vielfältige Rufen dieser Vögel. Es ist ein beeindruckender Klang, wenn Tausende von Möwen um einen Felsen fliegen und die Luft mit ihren Schreien erfüllen. Aber du hörst dort nicht nur Schreie. Du hörst auch etwas anderes. Du hörst dort auch die zarten Töne, wenn die Möwen balzen, wenn sie werben. Du hörst die rauen, krächzenden Töne der Jungen, wenn sie frisch geschlüpft sind und nach Futter rufen. Ihr Ruf ist deutlich, sie fordern, was sie brauchen! Sie rufen, als ob sie Gerechtigkeit fordern: „Hier bin ich, ich will wachsen und stark werden.“
Du kannst dort sehen, wie liebevoll die Möweneltern für ihre Kinder sorgen. Wieder und wieder fliegen sie weg und kehren zurück mit einem Fisch im Schnabel für ihre Jungen. Warum tun sie das tagein, tagaus? „Instinkt“, nennen es manche Forscher. Ich nenne es Liebe. Denn wieder und wieder sind sie auf der Suche nach dem, was ihre Kinder stärkt. Sie fragen nicht, ob es regnet oder stürmt oder schneit. Sie suchen Futter für die Möwenjungen. Auch habe ich gehört: Wenn eine Möwe nicht für ihre Jungen sorgen kann, dann springt oft eine andere für sie ein. Sie behandelt sie wie ihre eigenen Kinder. Sie fragt nicht nach Regen oder Sturm oder Schnee. Sie fliegt für diese Küken, die bald schon keine Küken mehr sein werden. Ja, bald schon werden diese Vögel selbst sicher fliegen und bewusst ihre eigenen Bahnen durch die Luft ziehen. Es ist gut, wenn man auf einem Felsen wohnt, wo viele andere Möwen leben…

Noten

Herr Gundolf sagte: „Auf der Suche nach einem Leben, das die Note Eins verdient, habe ich ein Leben erhalten, das die Note Vier verdient.“ Ich antwortete: „Wenn du jetzt nach einem Leben suchst, das die Note Drei verdient, kannst du eines erhalten, das die Note Zwei verdient.“

Folien

Eine Frau erzählte mir ihre verwickelte Lebensgeschichte. All ihre Probleme schienen sich gegenseitig zu bedingen und zu verstärken. Ich nahm eine Anzahl Overheadfolien, legte sie übereinander und bat die Frau: „Beschreiben Sie mir, was Sie darauf sehen, und lesen Sie mir die Texte vor.“ „Das geht nicht“, sagte sie. „Dazu müsste ich sie einzeln sehen.“ Ich legte die Folien einzeln vor ihr aus, und sie konnte die Bilder einzeln beschreiben und die Texte vorlesen. „Dann lassen Sie uns jetzt sortieren, welche von Ihren Problemen eine gemeinsame Folie bilden und welche Folien wir unterscheiden können. Dann kann die Therapie beginnen.“ Wir unterschieden verschiedene Schichten und Themen. Als wir mit der Therapie richtig anfangen wollten, waren wir schon halb fertig.

Alles abgeben

Eben hatte ich eine Frau in Therapie, die mir viel Kummer erzählt hat. Am Ende der Stunde habe ich ihr Fred, das Mülleimermonster gezeigt und gesagt: „Das ist Fred. Er frißt alles, was meine Klienten nicht mehr wollen. Wenn Sie ihm Angst, Ärger, körperliche Schmerzen oder sonst etwas geben möchten, tun sie das!“  Sie hat sich gefreut und hat ihm mit ihren Händen förmlich das Maul vollgestopft. Sie wollte noch die Toilette benutzen, und ich sagte zu ihr: „Den Rest, der Sie stört, lassen Sie bitte dort.“ Ich wartete, um sie noch zur Tür zu geleiten und schaute hinaus in den Regen. „Ich habe alles dortgelassen“, verkündete sie beim Herauskommen. „Wenn Sie noch irgendetwas finden sollten“, antwortete ich, dann erlauben Sie dem Regen, es von Ihnen abzuwaschen“. „Das mache ich“, sagte sie. Sie sah sehr glücklich aus.

Schaufensterkino

Die folgende Geschichte erzähle ich manchmal Jugendlichen, die zwar klug sind, aber sehr auf sich fixiert und darum nicht so sehr sozial orientiert. Nächste Woche möchte ich sie einmal bei einem sechzehnjährigen autistischen Jungen ausprobieren. Mal sehen, was passiert…

Es regnete. Keine Schule heute. Wie jeden Samstagvormittag stand sie hinter der Glastheke, in der die Brötchen, Kuchen und anderen Backwaren zum Verkauf auslagen. Durch das Schaufenster sah sie, wie der Wind die Blätter von den Bäumen fegte und in der Straße verwirbelte. Vor dem Laden kämpfte eine Frau mit ihrem Regenschirm. In dicken Buchstaben stand darüber die Inschrift: ,,Bäckerei Müller“. In Spiegelschrift natürlich, für jemanden, der drinnen stand. Wenn sie alleine war und keine Kunden zu bedienen hatte, stellte sie sich gerne vor, dieses Schaufenster sei eine Kinoleinwand und das, was sie dahinter sah, sei nur ein Film. In ihrer Fantasie veränderte sie dann die Szene. Aus den Autos wurden Kutschen, aus den Blättern Vögel und aus der Frau mit dem Regenschirm zum Beispiel ihre Mutter, wie sie mit einem wilden Drachen kämpfte. Dieses Bild amüsierte sie jetzt ganz besonders. Ihre Mutter, die alles falsch verstand, die ihr das Wort im Mund herumdrehte, die aus Gutem Böses machen konnte und aus böse gut, sie würde wahrscheinlich auch den Kampf gegen einen Drachen bestehen oder mindestens ein ,,Unentschieden“ erreichen. Bis zum nächsten Kampf.
Die Frau mit dem Regenschirm war längst verschwunden. Nun stellte sie sich vor, was sie denn gerne auf diese Schaufensterscheibe schreiben würde, anstatt des langweiligen Schriftzugs: „Bäckerei Müller“. Wie wäre es mit „Du bist mir wichtig“, „Ich mag dich trotzdem“, oder: „Ich ärgere mich, weil ich dich liebe“? Vielleicht auch: „Ich ärgere dich…“. Sie grinste ein wenig bei dem Gedanken. Sie malte sich aus, wie diese Inschriften auf der großen Scheibe wirken würden. Alle, die an der Bäckerei vorübergingen, könnten sie lesen, auch ihre Mutter. Sie sah vor ihrem inneren Auge die Inschrift: „Du bist mir wichtig.“ Ob ihre Mutter sie dann endlich verstehen würde? Sie stellte sich vor, wie ihre Mutter vor dem Schaufenster stand, die Stirn runzelte und den Kopf schüttelte. Da kam ihr der Gedanke: „Du musst deine Worte in Spiegelschrift anbringen.“