Lesenswert: Der Rabbi hat immer recht

Das Büchlein von Rabbi Nilton Bonder „Der Rabbi hat immer recht – Die Kunst, Probleme zu lösen“ gibt eine verständliche Einführung in rabbinische Logik. Das heißt, jüdische Anekdoten und Witze werden philosophisch fundiert interpretiert und in einem Gesamtzusammenhang des rabbinischen Denkens dargestellt. Systematisch werden die verschiedenen Fragetechniken und Neudeutungen (Reframings) der Realität unter die Lupe genommen. Die Geschichten, die er erzählt, sind köstlich. Gedacht ist das Buch aber wahrscheinlich nicht als Geschichtensammlung, sondern als methodischer Leitfaden, wie man in jeder erdenklichen Lebens- und Beratungslage zu hilfreichen neuen Sichtweisen kommt. Besonders für Freunde von Beratungstechniken, von brillianter Lösungsfindung, von verständlicher Philosophie, und von jüdischem Denken!

Rabbi Nilton Bonder, Der Rabbi hat immer recht: Die Kunst, Probleme zu lösen
Zürich, München (Pendo) 2001

Der Geschichtenerzähler (VII)

Und heute die siebte Folge…

Auf dem Heimweg wirkte der Meister müder als sonst. Er sagte zu seinem Schüler: „Für morgen erwarte ich vor meinem Haus sehr viele Leute, die gerne eine Geschichte von mir hören möchten. Ich kann ihnen diese Geschichte jedoch unmöglich erzählen. Sprich du für mich.“ Der Schüler sagte es seinem Meister zu.
Als der Schüler am anderen Morgen aufgestanden war Weiterlesen

Was ist Pacing und Leading?

Pacing heißt, dem Klienten folgen; mitschwingen, mitgehen, verbal und nonverbal. Wörtlich: In seinen Fußspuren gehen. Mit dem Klienten mitgehen. Klassisch systemisch heißt Pacing: Annehmen, wertschätzen, positiv konnotieren. Methodisch heißt es z.B.: Den Überweisungskontext und Auftrag klären, die Ausgangssituation erfragen. Pacing ist auch eine non-verbale Angelegenheit. Man kann den Tonfall, die Körperhaltung die Bewegungen oder auch den Atem des Klienten pacen, indem man sie übernimmt und sich darin einlebt.

Leading heißt: Auf der Basis von einer Wellenlänge (Rapport) und Mitgehen (Pacing) etwas anschlussfähiges Neues einführen und dabei die Führung übernehmen. Auf systemisch heißt das „intervenieren“. Im Beratungskontext bedeutet Pacing meistens, ans Problemerleben der Klienten anzuknüpfen und Leading, Lösungsimpulse geben.

Vom Pacing zum Leading übergehen heißt: Weiterlesen

Lesenswert: Träume vom Überleben

Das Buch von Yaffa Eliach heißt mit vollem Titel: „Träume vom Überleben – Chassidische Geschichten im 20. Jahrhundert“.

Yaffa Eliach hat als kleines Kind den Holocaust überlebt, weil ihre erschossene Mutter auf sie fiel und sie vor den Augen der Mörder verbarg. Später hat sie Geschichten von anderen Überlebenden gesammelt und untersucht, mit welchen Glaubenshaltungen, mentalen Strategien und praktischen Vorgehensweisen sie ihr Leben bewahrt haben. Ihr Buch bietet eine kostbare Sammlung von Geschichten, wie Menschen sich in der Zeit des Grauens den Glauben an Sinn und Hoffnung bewahrt haben. Dabei treten die unterschiedlichsten Haltungen und Strategien hervor. Gemeinsam ist ihnen, dass sie Mut machen, selbst in katastrophalen Situationen auf Lösungen und sinngebende Antworten zu schauen. Geschrieben sind die Geschichten, die alle auf realenErlebnissen beruhen, im Stil chassidischer Legenden. Ein Anhang mit Endnoten zu jeder Geschichte beleuchtet den historischen Hintergrund.

Sehr eindrucksvoll!

Yaffa Eliach, Träume vom Überleben: Chassidische Geschichten aus dem 20. Jahrhundert
Freiburg, Basel, Wien (Herder) 1985

Ein Beitrag zur Verkehrssicherheit

Ein Beitrag zur Verkehrssicherheit

Gestern bin ich mit zwei Freundinnen bei Kaffee und Kuchen zusammen gesessen. Eine der beiden hat erzählt:

Vor ein paar Tagen habe ich meinen Bruder mit dem Auto abgeholt. Auf dem Hinweg ist mir ein Entenpaar über die Straße gewatschelt. Und ich hab beim Weiterfahren gedacht: Hoffentlich passiert denen nichts. Auf dem Rückweg habe ich geguckt, ob ich sie wieder sehe. Da waren sie: Sie sind den Bürgersteig entlanggewatschelt. Dann kam der Zebrastreifen. Genau am Zebrastreifen haben sie die Straße überquert. Ich habe angehalten und sie die Straße überqueren lassen. Auf der Gegenseite kam ein Auto. Weiterlesen

Der Geschichtenerzähler (VI)

Und Folge sechs…

Der Geschichtenerzähler sagte:

„Es lebte in unserer Stadt ein bekannter Mann, der sollte einst vor vielen Menschen und gar vor dem König eine Rede halten. Nun sah er sich in der Runde um und fand dort eine solche Übermacht an klugen und gelehrten Menschen, dass er sich gar nicht mehr klug zu sein dünkte und vergaß, wie er sich sonst selbst zu helfen wusste und sich am liebsten in den Erdboden verkrochen hätte. Doch das war nicht möglich. Was tat dieser Mann?“

Mit diesen Worten verstummte der Alte. Verzweifelt fragend Weiterlesen

Lesenswert: Hundert chassidische Geschichten

Das Buch von Martin Buber ist ein Kleinod. Deswegen stelle ich es als erstes in dieser Serie von Buchtipps zu Geschichtensammlungen vor. Die Geschichten, die Buber aus der jüdischen Tradition erzählt, sind ganz kurz. Viele davon lassen sich in Beratungen und alltäglichen Situationen gut nacherzählen und sind voller Witz, Geist und Überraschungsmomente!

Bekannt ist die Erzählung „wie Sussja starb“:

Vor dem Ende sprach Rabbi Sussja: „In der kommenden Welt muss ich nicht verantworten, dass ich nicht Mose gewesen bin; ich muss verantworten, dass ich nicht Sussja gewesen bin.“ (S. 26)

Oft geht es darum, in scheinbar aussichtslosen Situationen, die Hoffnung zu bewahren, Lösungen und Auswege zu finden. In dem Buch finden sich viele Neudeutungen (Reframings) belastender Situationen. Vor allem lehrt das Buch, die Welt, die Menschen und alle Kreaturen zu lieben:

Wenn Rabbi Wolff zu Wagen fuhr, erlaubte er nicht, die Pferde zu schlagen. „Nicht einmal zu schelten brauchst du sie“, belehrte er den Fuhrmann, „wenn du sie nur anzureden verstehst“. (S. 72)

Ein wunderschönes Buch – auch als Geschenk sehr geeignet!

Und wenn Sie wissen möchten, was „chassidisch“ ist, schauen Sie sich rechts unter „Seiten“ die Fußnote an!

Martin Buber, Hundert chassidische Geschichten
Zürich (Manesse) 2003

Der Geschichtenerzähler (V)

Und Folge fünf…

Eines Morgens sagte der alte Geschichtenerzähler zu seinem Schüler: „Wie du gehört hast, wird heute der König in unserer Stadt zu Gast sein. Ich habe einen Brief erhalten, dass er von meiner Kunst erfahren habe und nun auch selbst eine Probe derselben hören will. Der König ist in großer Sorge, denn der Herrscher eines Nachbarlandes fordert von ihm eine persönliche Entschuldigung für ein paar Grobheiten, die er in Wahrheit nie begangen hat. Unser König kann diese Entschuldigung nicht aussprechen, ohne sich vor unserem Volk und allen Nachbarvölkern zu entblößen. Wird er sich aber nicht entschuldigen, so droht jener andere Herrscher mit seiner starken Armee unser Land zu verheeren. Was soll unser König nun tun? Weiterlesen

Wie finde ich eine passende Geschichte? Teil IV

Wer Beratungsgeschichten sucht, wird in den Weisheitsbüchern und mündlichen Traditionen der Kulturen und Religionen einen Schatz tiefsinniger Anekdoten, Beispielgeschichten und Metaphern finden. Die Gleichnisse, die Jesus erzählt hat in den Evangelien des Neuen Testaments lassen sich in der Beratung ebenso einsetzen wie alttestamentliche Erzählungen. Rabbinische Geschichten, orientalische und chinesische Weisheitsgeschichten sind wertvoll, ebenso wie die Fabeln von Äsop, Jean de la Fontaine und James Thurber.

Geschichten von Beratern aus der neueren Geschichte bieten zahllose Anregungen, zum Beispiel die therapeutischen Erzählungen von Weiterlesen