Flucht aus Sodom

Als in der Bibel die Städte Sodom und Gomorra durch einen Regen von Feuer und Schwefel (also wohl durch einen Vulkanausbruch) vernichtet wird, gelingt Lot und seiner Frau durch Gottes Hilfe die Flucht. Es wird geschildert (Genesis 19, 24-26):

Da ließ der Herr Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und Gomorra und vernichtete die Städte und die ganze Gegend und alle Einwohner der Städte und was auf dem Lande gewachsen war. Und Lots Frau sah hinter sich und ward zur Salzsäule.

Ein Freund hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass diese Beschreibung einer posttraumatischen Belastungsstörung entspricht: Aus der Position, bereits gerettet zu sein, blickt ein Mensch zurück auf die Katastrophe, erstarrt in deren Anblick und wird (zumindest für eine Weile) gefühllos, handlungsunfähig, unlebendig.

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Von Oase zu Oase

Wenn die Beduinen auf ihren Kamelen von Oase zu Oase ziehen, dann freuen sie sich beim Aufbruch von einem grünen Ort schon auf die Ankunft beim nächsten grünen Flecken. Ein europäischer Reisender wurde einmal an einem Treffpunkt zwischen zwei Oasen zu ihnen gebracht. Er reiste einige Tage mit ihnen. Der Europäer ritt von Wüste zu Wüste und durchquerte auf dem Weg gelegentlich eine Oase. Ihn begleiteten die Sehnsucht nach Schatten und Wasser. Er bewunderte die Beduinen. Sie reiten von Oase zu Oase. Gelassenheit zeichnet sie aus. Die Freude auf die nächste Oase ist ihre stete Begleiterin auf dem Weg durch die Wüste.

Die Inselblume

Auf einer kleinen Insel mitten im weiten Ozean wuchs eine wunderschöne goldgelbe Blume. Niemand wusste, wie sie dort hingekommen war, denn es gab sonst keine Blumen auf dieser Insel. Die Möwen kamen angeflogen,  um dieses Wunder zu bestaunen. „Sie ist schön wie die Sonne“, sagten sie. Die Fische kamen angeschwommen. Sie schauten aus dem Wasser, um sie zu bewundern. „Sie ist schön wie eine Koralle“, sagten sie. Ein Krebs kam an Land, um sie zu betrachten. „Sie ist schön wie eine Perle am Meeresgrund“, sagte er. Und sie kamen fast jeden Tag, um diese Blume zu bewundern.
Eines Tages, als sie wieder kamen, um nach der Blume zu schauen, fanden sie die goldenen Blätter der Blume braun und vertrocknet. „O weh“, sprachen die Möwen, die Fische und der Krebs. „Die Sonne hat unsere Blume versengt. Wer soll jetzt unser Herz erfrischen?“ Und alle waren traurig.
Doch einige Tage später war da an der Stelle der Blüte eine wunderbare zartweiße Kugel. „Was ist das?“, fragten die Tiere. „Es ist so weich wie eine Wolke“, sagten die Möwen. „Es ist so leicht wie die Gischt“, sagten die Fische. „Es ist so fein wie der Schimmer der Sonne im Sand“, sagte der Krebs. Und alle Tiere freuten sich.
Da fegte ein Windstoß über die Insel und wehte dieses weiße Wunder in tausend kleinen Flocken fort über die Insel. „O weh“, sprachen die Möwen, die Fische und der Krebs. „Der Wind hat unsere Kugel verweht. Was soll jetzt unser Gemüt erfreuen?“ Und alle waren traurig.
Eines Morgens, als die Sonne über dem Meer aufging, leuchteten da im goldenen Morgenlicht hunderte und nochmals hunderte von wunderschönen goldgelben Blumen. Da tanzten die Möwen am Himmel und die Fische im Wasser, und der Krebs tanzte mit seinen Freunden einen Reigen zwischen den Blumen, und alle freuten sich.

Der Karteischrank

Ich hatte früher in meinem Büro einen Karteischrank mit vielen Schubladen. Als ich meinen Karteischrank kennenlernte, dachte ich zuerst, etwas an ihm sei kaputt: Es war nicht möglich, zwei seiner Schubladen gleichzeitig zu öffnen. War eine Lade herausgezogen, so waren alle anderen verschlossen. Sie ließen sich rütteln, aber öffnen ließen sie sich nicht. So lange, bis die Schublade zurückgeschoben hatte; dann konnte ich eine andere Lade herausziehen.

Wenn ich Menschen begegne, die sich mit vielen Problemen gleichzeitig beschäftigen, mit so vielen Problemen, dass sie sich davon überfordert fühlen, dann bitte ich sie manchmal, sich einen Karteischrank vorzustellen. Ich bitte sie, die oberste Schublade zu öffnen, das erste Problem hineinzulegen, sich den Inhalt noch einmal anzuschauen, die Lade mit einem Etikett zu versehen und sie wieder zu verschließen. Ebenso bitte ich sie mit den weiteren Problemen und den übrigen Schubladen umzugehen. Ich sage ihnen: „Sie können den Schrank nun geschlossen halten und werden ihre Probleme, wenn sie sie geordnet angehen wollen darin wiederfinden. Sie werden aber nicht alle Schubladen gleichzeitig öffnen können, sondern nur eine auf einmal. Sollten Sie mehrere Probleme gleichzeitig behandeln wollen, müssen Sie den Inhalt einer Schublade für eine kurze Zeit herausnehmen und ihn später wieder hineinlegen. In den meisten Fällen bewährt es sich aber, die Dinge in den Schubladen zu lassen, in die sie hineingehören. So haben Sie Ordnung und können sich auch den Dingen zuwenden, die Ihnen mehr Spaß machen und Ihnen Kraft geben.“

Der Seemann

Er war ein Seemann. Er war mit Frachtschiffen in verschiedene Länder entlang der Küsten von Europa, Afrika und Südamerika gefahren. Ob er einmal einen schweren Seesturm erlebt hätte, fragte ich ihn. „Ich habe viele Stürme erlebt“, sagte er. „Ich habe Stürme erlebt, bei denen ich dachte: Das überleben wir nie!“ Und da stand er vor mir und hatte überlebt und konnte erzählen, was er erlebt hatte. (Der Grashalm in der Wüste, S. 95 f.)

Die Geschichte erzähle ich Menschen, die vor einer Prüfung oder schweren Bewährungsprobe stehen. Sie leitet dazu an, über ein gedachtes Ende der Welt hinweg zu denken und sich bewusst zu machen, dass auch die früheren Enden der Welt (im Leben anderer Menschen oder im eigenen Leben) von einem neuen Tag gefolgt waren.

Der Sieg

Der Zielpunkt jedes Lebens ist – zumindest zeitlich – der Tod. Wenn bei uns ein Mensch an diesem Punkt ankommt, so sagen die anderen oft, er habe sein Leben verloren. Wenn bei den ersten Christen ein Mensch gestorben war, so sagten sie umgekehrt: Er hat sein Leben gewonnen! Er hat gesiegt! Und sie flochten diesem Menschen einen Siegerkranz, um mit ihm zu feiern! Einen Siegerkranz, so wie ihn die Sieger von Wettkämpfen damals erhielten! Die Sitte, einem Menschen einen Kranz mit ans Grab zu geben, ist geblieben. Vergessen ist die Botschaft dieses Kranzes. Sie heißt: Du bist ein Sieger!

Der Goldmacher

Jetzt erzähle ich mal wieder eine Geschichte. Ich verwende sie, um Menschen anzuregen, in scheinbar aussichtslosen Situationen nach einer Sichtweise zu suchen, die aus der Bedrohung eine Chance und aus der Not eine Tugend macht. Therapeutisch gesprochen hilft die Geschichte, belastende Lebenssituationen zu reframen (neu zu deuten) und Problemstrukturen aktiv zum Gestalten von Lösungen zu utilisieren.

In den alten Zeiten lebte bei uns ein Mann vom Stande derer, die sich Alchimisten nennen, der brüstete sich, er habe eine Weise gefunden, wie er Gold herstelle. Da das der König Weiterlesen

Den Schrank aufräumen

Ich habe einen großen Wohnzimmerschrank. Beim Einzug in meine Wohnung hatte ich ihn mit Sorgfalt eingeräumt. Alles hatte seinen Platz. Doch im Laufe der Jahre sind in die Fächer, Regale und Schubladen viele Dinge hineingeraten, die dort nicht hingehören – oder zumindest jetzt nicht mehr. Mein Leben hat sich verändert, und andere Dinge sind wichtig geworden. Jetzt räume ich meinen Schrank auf. Als erstes habe ich alles aus dem Schrank geholt und auf dem Boden verstreut. Ein wüstes Durcheinander ist da entstanden – ich glaube aber, ein Durcheinander mit Sinn. Trotzdem, für das Ordnen brauche ich Zeit. Manche Sachen sind mit Erinnerungen verbunden. Ich muss sie mir noch einmal ansehen. Andere fordern von mir eine Entscheidung. Da sind Dinge, die werden weggeworfen. Da sind andere, die werden aufgehoben, aber nicht im Schrank, sondern woanders, zum Beispiel auf dem Speicher. Wieder andere kommen zurück in den Schrank, aber an eine andere Stelle. Der ganze Schrank soll eine neue Ordnung bekommen. Zuvor aber werde ich den Schrank auswischen, den Staub entfernen und vielleicht auch polieren. Meine Tochter war eben da. Sie sah auf das riesengroße Durcheinander und sagte zu mir: „Ich dachte, du wolltest aufräumen?“

Wie man die Therapie verkürzen kann I

Heute, morgen und übermorgen möchte ich in einem kleinen Dreiteiler Impulse dazu geben, wie eine hypno-systemische Ultrakurzzeit- Therapie aussehen kann. Metaphern und Geschichten lasse ich momentan außen vor, obwohl sie ebenfalls zu einer Verkürzung der Therapiezeit auf wenige Stunden beitragen. Also…

Wenn ein Klient oder eine Klientin in der ersten Stunde ihr Problem erklärt, dann wundere ich mich manchmal über die Probleme und Verhaltensweisen und darüber, woher das alles kommen mag. Ist es mehr die aktuelle Beziehung oder eine alte Traumatisierung, ist es die Familiengeschichte oder brauche ich überhaupt nicht zu wissen, was hintergründig das Problem verursacht?

Wie die meisten Therapeuten lasse ich den Klienten üblicherweise erst einmal erzählen, was ihn hergeführt hat. Manchmal gehe ich dann im Weiteren so vor:

Sobald seine Stimme bei einem markanten Wort brüchig klingt…
sobald er an einer interessanten Stelle hustet oder sich räuspert…
sobald er sich unterm Auge reibt, als trockne er eine Träne ab…
sobald sein Satz stockt, seine Stimme lahm oder leise wird…
sobald sein Atem gepresst, gelähmt, gestresst wirkt…
sobald die Mimik ein wenig schmerzvoll, angespannt, belastet ist…
sobald ich etwas sehe oder höre, das emotional belangvoll scheint… Weiterlesen