Faktum

Sie war außer sich vor Wut: „Kannst du dich nicht mal ein bisschen bewegen? Mal ein paar Gewohnheiten verändern? Warum machst du das denn immer wieder?“ „Ich bin halt so“, antwortete er.

„Ich bin halt so“ ist ein Argument, das sparsam eingesetzt werden sollte. Wer störende Kleinigkeiten herzhaft verändert, kann oft Großes erreichen. Gesten des liebevollen Umgangs neu zu entdecken, kann viel bedeuten. Aber die Mühsal, die eigene Persönlichkeit ändern zu wollen, um dem Partner zu gefallen, lohnt sich oft nicht.  Hat der eine Partner große Anstrengungen zu leisten, um kleine Schritte zu gehen, erscheint dem anderen seine Leistung auf dem Weg der Veränderung noch eher dürftig. Zorn, Verzagtheit, Groll und Härte halten Einzug in den Alltag mancher Paare, von denen einer „sich ändert“, um den anderen zu behalten. Besser ist es oft, mit dem Vorfindlichen auf neue Arten umgehen zu lernen, ohne es im Kern zu verändern. Besser ist es, dem störenden Verhalten einen neuen Kontext, neue Deutungen und neue Reaktionen zu schenken. Und gelten zu lassen:

„Ich bin halt so.“

Lass dich nicht verikeren…

Es gibt Berufe, die werden zu einem Teil der Persönlichkeit. Angenommen, jemand ist mit Hingabe Lehrer oder Pfarrer, KFZ-Mechanikerin oder Krankenschwester, dann verschmilzt die berufliche Identität mit der bis vorher innegehabten Identität zu etwas neuem. Auch die Herkunft eines Menschen beschreibt etwas davon, wer er ist. Wir Menschen sind Spanier oder Pfälzer, Kaiserslauterer, Siegerländer, Afrikaner oder Mexikaner. Es gibt auch Überzeugungen und Lebensstile, die eine solche Wirkung haben. Jemand ist vielleicht aus Überzeugung Vegetarier, Bahnfahrer, Puritaner oder Wehrdienstverweigerer.

Und schließlich beschreiben Menschen ihre Krankheiten und Probleme in dieser Weise. Es wird behauptet, ein Mensch sei Diabetiker, Allergiker, Alkoholiker, Epileptiker, Rheumatiker, Psychotiker und so weiter. Das Problem ist: Wenn die Krankheiten in dieser Weise als Teil der Identität beschrieben wird, ist es schwieriger, sich wieder von ihr zu lösen. Denn wer trennt sich schon leicht von etwas, was zu seiner Person gehört; wer glaubt auch nur, dass er es kann?

Sicherer ist es, zu sagen: Ich habe Diabetes, habe ein Alkoholproblem – und noch sicherer, zu sagen: Ich habe in der Vergangenheit, bisher, bis kürzlich dies und das gehabt. Oder: Ich habe zur Zeit oder noch dieses Problem. Und noch besser: Mein Blutzuckerspiegel ist noch nicht auf dem richtigen Wert stabilisiert, meine Arzt hat Rheuma diagnostiziert, ich habe mich mehrmals psychotisch verhalten, und so weiter.

Wer Krankheiten in Handlungen und Erlebnisse übersetzt, hat weitaus bessere Chancen, sie zu überwinden, als der, der sie in Persönlichkeitseigenschaften übersetzt.

Lass dich nicht verbaren…

„Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt“, sagte der Philosoph Ludwig Wittgenstein. Sprache schafft Wirklichkeit, und eine begrenzende Sprache schafft Grenzen für die Wirklichkeit. Sprachgrenzen schaffen Grenzen der Möglichkeiten.

Ein Beispiel ist die Nachsilbe -bar, wie sie in Worten wie „haltbar“, „genießbar“, „versteuerbar“ vorkommt. Die Silbe wird auch gerne auf Menschen angewendet: „Unbelehrbar“, „unheilbar“, nicht therapierbar“, „manipulierbar“, „korrumpierbar“, „nicht beschulbar“, „schwer erziehbar“, „untragbar“, „schwer vermittelbar“.

Das Eigenartige an der Silbe -bar ist, dass sie uns irrtümlich den Eindruck vermittelt, sie sage etwas aus über die Person, von der die Rede ist, also: Wer unbelehrbar sei, lasse sich nicht belehren, wer manipulierbar sei, lasse sich manipulieren, wer schwer erziehbar sei, lasse sich schwer erziehen – es scheint geradezu so, als ob die bar-Worte Eigenschaften der Menschen bezeichneten, von denen sie reden. Dabei bezeichnen sie die Fähigkeiten dessen, der da redet und die Möglichkeiten des Kontextes, in dem er arbeitet.

Wenn ich also sage: „Er ist unbelehrbar“, sage ich in Wirklichkeit nur: „Ich konnte ihn nicht belehren“, und allenfalls: „in diesem Kontext lernt er meiner Ansicht nach nichts“. Sage ich: „Er ist nicht therapierbar“, heißt das: „ich kann ihn nicht therapieren“. Sage ich, jemand sei untragbar, erkläre ich, dass ich oder mein Arbeitskontext ihn nicht mehr ertragen mag. Sage ich, jemand sei schwer vermittelbar, spreche ich wieder nicht über seine, sondern über meine Möglichkeiten. Und sage ich, jemand sei unheilbar krank, so sage ich nur, dass ich oder seine Umgebung den Menschen nicht heilen kann. Ob ein anderer Mensch oder die Heilkunst einer anderen Kultur etwas für denjenigen tun kann, darüber steht mir kein Urteil zu.

Wenn allerdings jemand mir Glauben schenkt, er sei -bar oder nicht -bar, obwohl das bar-sein in Wirklichkeit nicht seine, sondern meine Möglichkeiten beschreibt, dann werden durch seinen Glauben meine Möglichkeiten leicht zu seinen. Das heißt auch, meine Unmöglichkeiten werden zu seinen, und meine Grenzen werden zu den seinen.

Wenn dir also jemand sagen will, du seiest -bar, dann kannst du ihn reden lassen, nur glauben brauchst du ihm nicht. Du weißt, er redet über sich und seine Grenzen, und das sind Angelegenheiten, die gehen dich nichts an.

Der falsche Adressat

Ein Freund musste mich neulich mit Blick auf einen Termin versetzen und entschuldigte sich vielmals dafür. Es sei in Ordnung, versicherte ich mehrfach, aber das überzeugte ihn nicht. So sagte ich: „Du sprichst mehr mit deinem schlechten Gewissen, als mit mir.“ „Der Satz ist gut“, antwortete er. „Den werde ich mir merken.“ Und das Entschuldigen hatte ein Ende.

Webtipp: hypnosystemische akademie bodam

Es gibt neue Seminare: Ab September 2008 bieten wir hypno-therapeutische Ausbildungen u. a. in Bern an. Die Ausbildungen sind ein Kooperationsprojekt zwischen dem Institut für hypno-systemische Beratung Westpfalz, der akademie für hypnosystemische Beratung bodam in Liechtenstein und der Mental-Akademie Living Sense in Bern und Bürglen. Ab Januar 2009 ist dann der Beginn einer hypnotherapeutischen Ausbildung in Liechtenstein und in Bürglen (TG) in der Schweiz geplant, ebenso als Ergebnis einer Kooperation mit bodam und (für Bürglen) der Mentalakademie.

Die  bodam-akademie bietet zusätzlich eine systemische Coaching-Intensivausbildung für Führungskräfte an. Die Internetseite von bodam ist noch im Aufbau, so dass noch einige Details fehlen, aber sie ist schon anschaulich und in vieler Hinsicht informativ! Sobald es Neues dazu gibt, werde ich mich wieder melden.

Das verlorene Gesicht

In Japan lebte einmal ein Mann, dem ist das tatsächlich passiert: Er wachte eines Morgens auf und hatte wirklich und wahrhaftig sein Gesicht verloren! Die Sache war ihm äußerst peinlich. So wie er war, konnte er sich ja unmöglich einem anderen Menschen zeigen. Zuallererst machte er sich also ganz alleine auf die Suche. Er tastete sein Bett ab und den Boden unter dem Bett und schließlich auch den ganzen Raum, in dem er sich befand. Lange versuchte er sich so zu helfen, bis er begriff: Wer sein Gesicht verloren hat, wird es allein kaum wieder finden. Er sieht und hört ja nichts! Wie konnte dieser Mann nun Rettung finden? Es gelang ihm nur mit Hilfe seiner Freunde. Sie suchten für ihn alle Plätze ab und fanden es am Ende tatsächlich. Es war im Bad in seinem Spiegel, wo er es bei einem nächtlichen Gang verloren hatte. Wohl dem, der solche Freunde hat! (S. Hammel, Der Grashalm in der Wüste, S. 95.)

Anstelle eines verlorenen Gesichts erzähle ich dieselbe Geschichte auch mit einem verlorenen Kopf für Leute, die sich fragen: „Wo habe ich den heute meinen Kopf“, für Leute, die etwas „den Kopf gekostet“ hat (vielleicht in Wahrheit aber nur die Arbeitsstelle), die „kopflos“ sind, die vor Liebe oder Schrecken „den Kopf verloren“ haben.

Im Lande Begonien

Als Reisender musste ich einmal das Land Begonien durchqueren.  Sie haben dort einen wirklich seltsamen Brauch. Es gibt dort nämlich an den Straßen und Wegen des Landes keinerlei Hinweisschilder,  die dir helfen könnten, von Dorf zu Dorf oder von einer Stadt zur nächsten zu finden. An jeder Straßenkreuzung aber stehen Blumen, die du fragen kannst, um von ihnen Auskunft zu erhalten.  Nach der Art, wie sie dir Auskunft geben, unterscheidet man Weiser, Wegweiser und Hinweiser.  Die Hinweiser sind besonders angenehm für all jene Reisenden, die nur einfach möglichst schnell und bequem zu ihrem Ziel kommen wollen. Sie sagen dir freundlich, wohin du gehen sollst.  Die Wegweiser sind oft grob und ungehobelt in ihrer Sprache.  Sie können sehr gehässig klingen. Nichtsdestoweniger können auch sie sehr nützlich sein. Sie sagen dir, wohin du keinesfalls gehen sollst, so du Unglück und Verderben von dir fernhalten willst.  Die Weiser schließlich reden zu dir auf seltsame Art.  Sie sprechen in Rätseln.  Sie beginnen, dir einen Weg zu weisen und fahren fort mit dem anderen.  Sie erzählen dir vom Ziel, doch  nicht, wie du dieses erreichst. Sie stellen dir Fragen anstatt dir zu antworten.  Sie erzählen dir Dinge, deren Sinn du erst später verstehst. Manche Reisende halten das, was die Weiser sagen, für lauter unnützes Zeug.  Doch einige finden erst durch die Weiser ihr Ziel.

Drei Arten von Geschichten gibt es, die therapeutisch wirken: Die einen geben dir ein Vorbild, wie du handeln sollst, die zweiten geben dir ein Zerrbild, wie du keineswegs handeln sollst, die dritten geben dir ein Rätselbild, das dich auf die Suche nach dem richtigen Weg sendet. Es können Beispielgeschichten oder Metaphern sein, mit denen Menschen einander leiten, aber immer wieder nehmen sie diese drei Formen an. Wir träumen auch so in der Nacht: Wir träumen in Lösungsträumen, Alpträumen und Rätselträumen.