Puzzlespiel

Beschreibungen wie die folgende verwende ich öfter, wenn ich mit jemandem ein Lerntraining zu machen habe, etwa im Zusammenhang mit Prüfungsvorbereitungen, aber auch zur Unterstützung von Schlaganfallgeschädigten. Die Grundidee stammt aus dem „Handbook of Hypnotic Suggestions and Metaphors“, herausgegeben von D. C. Hammond.

Hast du schon einmal Puzzle gespielt? Mit diesen kleinen Teilen, die allesamt in einander passen? Man muss dazu unter vielen Teilen immer wieder das Richtige finden, das sich in das benachbarte Stück fügt. Ein Puzzle mit tausend Teilen zusammenzusetzen, ist schon eine größere Aufgabe. Das geht nicht an einem Tag! Aber wer einmal gelernt hat, ein Puzzlespiel zusammenzufügen, der weiß, wie er dabei vorgeht. Ich suche meist zuerst die Randstücke. Davon gibt es eine überschaubare Zahl. Ich finde heraus, wie sie zusammen gehören. Andere Puzzlespieler ordnen zuerst die Teile nach ihren vorherrschenden Farben, und probieren dann, welche Stücke zusammen passen. Wenn man einmal ein größeres, zusammenhängendes Stück zusammengesetzt hat, dann wächst dieses Stück oft schnell. Bald wächst es mit einem benachbarten größeren Flecken zusammen, und dieser wieder mit einem anderen. Immer größer werden die zusammenhängenden Stücke, und immer kleiner die Stellen, wo etwas fehlt. Irgendwann einmal ist das letzte Puzzlestück eingefügt. Das Spiel ist vollendet.

Möwenfelsen

Hier ist eine Geschichte, die ich Kindern aus Patchwork-, Adoptiv- und Pflegefamilien erzähle. Entwickelt habe ich sie zuerst für eine sehr introvertierte Jugendliche, die im gemeinsamen Urlaub – heimlich, auf eigene Initiative und ohne Erlaubnis ihrer Adoptiveltern – begonnen hat, Paragliding zu lernen.

Vielleicht hast du auch schon einmal an einem Möwenfelsen gestanden und horchtest auf das vielfältige Rufen dieser Vögel. Es ist ein beeindruckender Klang, wenn Tausende von Möwen um einen Felsen fliegen und die Luft mit ihren Schreien erfüllen. Aber du hörst dort nicht nur Schreie. Du hörst auch etwas anderes. Du hörst dort auch die zarten Töne, wenn die Möwen balzen, wenn sie werben. Du hörst die rauen, krächzenden Töne der Jungen, wenn sie frisch geschlüpft sind und nach Futter rufen. Ihr Ruf ist deutlich, sie fordern, was sie brauchen! Sie rufen, als ob sie Gerechtigkeit fordern: „Hier bin ich, ich will wachsen und stark werden.“
Du kannst dort sehen, wie liebevoll die Möweneltern für ihre Kinder sorgen. Wieder und wieder fliegen sie weg und kehren zurück mit einem Fisch im Schnabel für ihre Jungen. Warum tun sie das tagein, tagaus? „Instinkt“, nennen es manche Forscher. Ich nenne es Liebe. Denn wieder und wieder sind sie auf der Suche nach dem, was ihre Kinder stärkt. Sie fragen nicht, ob es regnet oder stürmt oder schneit. Sie suchen Futter für die Möwenjungen. Auch habe ich gehört: Wenn eine Möwe nicht für ihre Jungen sorgen kann, dann springt oft eine andere für sie ein. Sie behandelt sie wie ihre eigenen Kinder. Sie fragt nicht nach Regen oder Sturm oder Schnee. Sie fliegt für diese Küken, die bald schon keine Küken mehr sein werden. Ja, bald schon werden diese Vögel selbst sicher fliegen und bewusst ihre eigenen Bahnen durch die Luft ziehen. Es ist gut, wenn man auf einem Felsen wohnt, wo viele andere Möwen leben…

Noten

Herr Gundolf sagte: „Auf der Suche nach einem Leben, das die Note Eins verdient, habe ich ein Leben erhalten, das die Note Vier verdient.“ Ich antwortete: „Wenn du jetzt nach einem Leben suchst, das die Note Drei verdient, kannst du eines erhalten, das die Note Zwei verdient.“

Folien

Eine Frau erzählte mir ihre verwickelte Lebensgeschichte. All ihre Probleme schienen sich gegenseitig zu bedingen und zu verstärken. Ich nahm eine Anzahl Overheadfolien, legte sie übereinander und bat die Frau: „Beschreiben Sie mir, was Sie darauf sehen, und lesen Sie mir die Texte vor.“ „Das geht nicht“, sagte sie. „Dazu müsste ich sie einzeln sehen.“ Ich legte die Folien einzeln vor ihr aus, und sie konnte die Bilder einzeln beschreiben und die Texte vorlesen. „Dann lassen Sie uns jetzt sortieren, welche von Ihren Problemen eine gemeinsame Folie bilden und welche Folien wir unterscheiden können. Dann kann die Therapie beginnen.“ Wir unterschieden verschiedene Schichten und Themen. Als wir mit der Therapie richtig anfangen wollten, waren wir schon halb fertig.

Alles abgeben

Eben hatte ich eine Frau in Therapie, die mir viel Kummer erzählt hat. Am Ende der Stunde habe ich ihr Fred, das Mülleimermonster gezeigt und gesagt: „Das ist Fred. Er frißt alles, was meine Klienten nicht mehr wollen. Wenn Sie ihm Angst, Ärger, körperliche Schmerzen oder sonst etwas geben möchten, tun sie das!“  Sie hat sich gefreut und hat ihm mit ihren Händen förmlich das Maul vollgestopft. Sie wollte noch die Toilette benutzen, und ich sagte zu ihr: „Den Rest, der Sie stört, lassen Sie bitte dort.“ Ich wartete, um sie noch zur Tür zu geleiten und schaute hinaus in den Regen. „Ich habe alles dortgelassen“, verkündete sie beim Herauskommen. „Wenn Sie noch irgendetwas finden sollten“, antwortete ich, dann erlauben Sie dem Regen, es von Ihnen abzuwaschen“. „Das mache ich“, sagte sie. Sie sah sehr glücklich aus.

Schaufensterkino

Die folgende Geschichte erzähle ich manchmal Jugendlichen, die zwar klug sind, aber sehr auf sich fixiert und darum nicht so sehr sozial orientiert. Nächste Woche möchte ich sie einmal bei einem sechzehnjährigen autistischen Jungen ausprobieren. Mal sehen, was passiert…

Es regnete. Keine Schule heute. Wie jeden Samstagvormittag stand sie hinter der Glastheke, in der die Brötchen, Kuchen und anderen Backwaren zum Verkauf auslagen. Durch das Schaufenster sah sie, wie der Wind die Blätter von den Bäumen fegte und in der Straße verwirbelte. Vor dem Laden kämpfte eine Frau mit ihrem Regenschirm. In dicken Buchstaben stand darüber die Inschrift: ,,Bäckerei Müller“. In Spiegelschrift natürlich, für jemanden, der drinnen stand. Wenn sie alleine war und keine Kunden zu bedienen hatte, stellte sie sich gerne vor, dieses Schaufenster sei eine Kinoleinwand und das, was sie dahinter sah, sei nur ein Film. In ihrer Fantasie veränderte sie dann die Szene. Aus den Autos wurden Kutschen, aus den Blättern Vögel und aus der Frau mit dem Regenschirm zum Beispiel ihre Mutter, wie sie mit einem wilden Drachen kämpfte. Dieses Bild amüsierte sie jetzt ganz besonders. Ihre Mutter, die alles falsch verstand, die ihr das Wort im Mund herumdrehte, die aus Gutem Böses machen konnte und aus böse gut, sie würde wahrscheinlich auch den Kampf gegen einen Drachen bestehen oder mindestens ein ,,Unentschieden“ erreichen. Bis zum nächsten Kampf.
Die Frau mit dem Regenschirm war längst verschwunden. Nun stellte sie sich vor, was sie denn gerne auf diese Schaufensterscheibe schreiben würde, anstatt des langweiligen Schriftzugs: „Bäckerei Müller“. Wie wäre es mit „Du bist mir wichtig“, „Ich mag dich trotzdem“, oder: „Ich ärgere mich, weil ich dich liebe“? Vielleicht auch: „Ich ärgere dich…“. Sie grinste ein wenig bei dem Gedanken. Sie malte sich aus, wie diese Inschriften auf der großen Scheibe wirken würden. Alle, die an der Bäckerei vorübergingen, könnten sie lesen, auch ihre Mutter. Sie sah vor ihrem inneren Auge die Inschrift: „Du bist mir wichtig.“ Ob ihre Mutter sie dann endlich verstehen würde? Sie stellte sich vor, wie ihre Mutter vor dem Schaufenster stand, die Stirn runzelte und den Kopf schüttelte. Da kam ihr der Gedanke: „Du musst deine Worte in Spiegelschrift anbringen.“

Aus der Tiefe des Sees…

„Woher haben Sie denn Ihre Geschichten“, hat mich letzte Woche bei einem Seminar auf der Burg Fürsteneck eine Frau gefragt. „Aus der Tiefe des Sees“, hat eine andere geantwortet, noch ehe ich den Mund öffnen konnte. Ich glaube, die Fragerin konnte diese Antwort nicht einordnen. Ich möchte aber hier erzählen, worauf sich der Spruch bezieht. Gestattet mir dafür einen kleinen Umweg…

Ist es euch schon einmal passiert, dass ihr in einem Gespräch versuchtet, euch an einen Namen zu erinnern? Er fiel und fiel euch nicht ein. Dann habt ihr euch etwas anderem zugewandt, dachtet nicht mehr daran, und plötzlich – wie aus heiterem Himmel – wusstet ihr ihn. Offensichtlich hat euer Unbewusstes die Frage zielstrebig bis zur Lösung weiterverfolgt, ohne dass ihr davon auch nur das Geringste bemerkt hätten. Als es die Antwort gefunden hatte, hat es sie „nach oben“ zum Bewusstsein gemeldet, um sie kommunizierbar zu machen. Es spricht viel dafür, dass auch die Bilderwelt der Träume bei Tag weiterwirkt, nur eben unterschwellig, so dass wir bewusst davon kaum etwas sehen und hören.

Es erfordert nur wenig Übung, sich solche Traumbilder bewusst zu machen. Wenn wir während Gesprächen darauf achten, welche inneren Bilder bei bestimmten markanten Worten oder auch ohne erkennbaren Anlass aus dem Unbewussten aufsteigen, eröffnet sich uns ein wahrer Reichtum. Diese Bilder fallen uns darum meist nicht auf, weil sie Sekundenbruchteile später bereits von anderen Eindrücken überdeckt und dann vergessen werden. Wer solche innere Bilder für die Therapie nutzbar machen will, muss lernen, sie einen Augenblick länger in Gedanken festzuhalten und sie sich einzuprägen. Wie bei Träumen sollte man das Bild selbst der Deutung des Bildes vorziehen. In der Therapie kann man dem Klienten etwa sagen: „Während Sie geredet haben, sah ich vor mir dieses Bild… Können Sie damit etwas anfangen?“ Die Wirkung dieser einfachen Intervention ist oft verblüffend.

In eine Geschichte gefasst:

„Woher kommen denn deine Gedichte?“, fragte man einen Poeten. Er fragte zurück: „Woher kommen die Träume? Sie steigen auf wie Blasen aus einem tiefen See, dessen Grund ich nicht kenne. Und die ich entdecke, bevor sie auf dem Spiegel zerplatzen, sind mein.“

(Die Geschichte stammt aus: S. Hammel, Der Grashalm in der Wüste)

Guten Morgen, mein Dorf!

Das haben mir einige Leute aus einem nordpfälzischen Dorf erzählt. Die eigenen Gerüchte aktiv streuen und sich anschließend über die Schwätzer amüsieren – das ist eine Möglichkeit, aus dem passiven Erleiden von Tratsch in die aktive Position zu kommen.

Er war der Pfarrer eines kleinen Dorfes weit draußen auf dem Land. Ein junger, gut aussehender Pfarrer, und er lebte allein. Die Menschen des Dorfes waren sehr an diesem Umstand interessiert. Eines Morgens stand er auf, öffnete das Fenster, hängte zwei Garnituren Bettwäsche heraus und trank gemütlich seinen Kaffee. Guten Morgen, mein Dorf! Schon hatte er Stoff für die nächste Predigt.

Die Gebrüder Noah

Die Sintflut ist zu Ende. Fest ruht die Arche auf dem Berge Ararat. Ein neuer Morgen ist angebrochen. Die Luke öffnet sich, die Tiere können gehen. Auch die Gebrüder Noah steigen aus dem Schiff. Sie schauen sich um. Nur Schlamm und Steine, so weit sie sehen. „Scheißflut! Und wovon sollen wir jetzt leben?“ fragt Noah der Jüngere und scharrt mit dem Fuß in einer Pfütze. „Gerettet, Gott sei Dank!“ sagt Noah der Ältere. Er blinzelt in die Morgensonne. Am Himmel leuchtet über beiden der Regenbogen.