Konrad, die Raupe

Hier noch eine therapeutische Geschichte von einer meiner Ausbildungsteilnehmerinnen. Die Geschichte ist unter anderem einsetzbar bei Patienten, die somnolent bzw. im Wachkoma sind, bei Patienten im Rahmen einer Rehabilitation nach Schädel-Hirn-Trauma oder anderen Schädigungen des Gehirns, aber auch bei ADS-Kindern, bei Kindern mit einem Asperger-Syndrom oder solchen, die aus einem anderen Grund in einer Traumwelt leben…

Habe ich Dir schon mal von Konrad erzählt? Ich kenne Konrad schon lange und mag ihn sehr.
Er ist glücklich und zufrieden. Meistens ist er auch fröhlich und nur manchmal ein klein wenig traurig.
Ja, den Konrad kenne ich schon sehr lange. Früher war er, glaube ich, so etwas wie eine Raupe. Vielleicht war er auch etwas anderes. Aber er hat ziemlich nach Raupe ausgesehen, finde ich.
Damals war er schon ein richtiger Schlingel und hat sein Raupenleben genossen. Ist an den Stielen hochgeklettert, hat sich den Bauch mit Blättern vollgeschlagen und hat dann in der Sonne gedöst.
Mit dem Kopf war Konrad immer wo anders und hat auch nie richtig zugehört. Seine Eltern und die Lehrer in der Raupenschule versuchten vieles , damit sie ihn  erreichen , um ihm Dinge zu erklären. Aber er lebte in seiner eigen Welt.
Selbst Frau Marienkäfer und Herr Maikäfer, zwei berühmte Doktoren hatten keine Chance bei Konrad.
Es war ja nicht so, dass Konrad nicht wollte, doch in seiner Welt und in seinem Kopf gab es so viele Dinge und Gedanken, dass er einfach keine Zeit hatte.

Daher kam es, dass Konrad eines Tages in einem Kokon aufwachte und sehr verwundert war. Seine Eltern und Lehrer hatten zwar davon gesprochen , wollten ihn darauf vorbereiten und sie hatten ihm auch gesagt, was man in einem Kokon machem muss, aber Konrad war wieder mal zu beschäftigt gewesen und hatte nichts mitbekommen.

Konrad saß nun in diesem Kokon und wusste gar nicht genau was passiert war. Irgendwie fühlte er sich anders, konnte seine Arme und Beine nicht mehr so bewegen wie frühe und das sprechen fiel ihm schwer. Alles erschien ihm eng und dunkel.
Zunächst glaubte Konrad er hat einen schlechten Traum und wache bald auf. Dann dachte er, er sei beim Versteckspielen vergessen worden oder er habe sich verlaufen.
Konrad hatte eine Idee und wollte ganz laut um Hilfe rufen, aber niemand verstand ihn.
Da bekam er große Angst und weinte. Nach einer gewissen Zeit wurde er sehr zornig und dann war er wieder enttäuscht.
Niemand holte ihnaus dem Kokon heraus. Konrad versuchte zwar sich durch die Wände zu knabbern, aber er kam nicht weit und gab bald auf.

So kam es , dass er lange lange Zeit in diesem Kokon saß. Er hörte den Regen auf den Kokon tropfen ( mit Finger Regentropfen imitieren), wurde vom Sturm durchgeschüttelt ( schütteln zeigen)und hörte den Wind pfeifen ( Wind imitieren). Im Winter konnte es kalt werden und im Sommer heiß.
Eines Tages stellte Konrad fest, dass er ja noch immer Konrad war und er genau wie früher in seinem Kopf seine eigene welt entstehen lassen könnte. Konrad erinnerte sich plötzlich, dass es nicht so wichtig war, wo er war, sondern wer er war.

So begann Konrad sich vorzustellen, wie es ist, wenn man Arme und Beine bewegt, wie es sich anfühlt, wenn die Muskeln die Gelenke beugen und strecken. Oder versuchte seiner Stimme einen neuen Klang zu geben, neue nützliche Dingen auszuprobieren.

Konrad war so damit beschäftigt, sich Dinge auszumalen, sie dann zu probieren oder seinem Körper zu sagen, was er tun müsse, dass der  gar nicht merkte,  wie der Kokon Risse bekam.

Eines Tages platze der Kokon auf und Konrad kam heraus.
Natürlich war er nicht mehr die Raupe Konrad, denn es ist eine Tatsache, dass man aus einem Kokon anders herauskommt als man hinein gekommen ist.

Wie gesagt, ich kenne Konrad schon lange. Er ist glücklich und zufrieden.

(Alexandra Spitzbarth, Ärztin in Würzburg)

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