Therapie in Zeiten von Corona – telefonisch, per Zoom oder Skype

„Wenn das hier vorbei ist, ist nichts mehr, wie es war…“ Diesen Satz hört man öfter, aber im Fall der Corona-Krise scheint er zutreffender als in vielen früheren Fällen. Auch, weil es nicht so bald vorbei sein wird. Jedenfalls nicht mehr in diesem Jahr…

Viele Restaurants werden auf Dauer schließen, Bringdienste für Essen werden boomen. Der Online-Lebensmittelhandel wird sich trotz geöffneter Supermärkte rasant entwickeln, weil viele – allen voran Ältere und Kranke – sich nicht beim Einkauf anstecken möchten. Überhaupt der Online-Handel: Nachdem wir uns daran gewöhnt haben, fast alles per Knopfdruck zu kaufen, werden unsere Einkaufsgewohnheiten so verändert sein, dass viele Läden auch nicht wieder zu öffnen brauchen.

Beratung und Therapie sind prinzipiell weiter „in echt“ möglich. Daran werden vermutlich auch Ausgangsbeschränkungen und Einschränkungen der Versammlungsfreiheit nichts ändern. Trotzdem werden die Gespräche immer häufiger per Telefon und Bild-Telefon stattfinden – weil Klienten und Beratende sich vor einer Corona-Infektion schützen möchten. Ich selbst gehöre aufgrund von Vorerkrankungen offiziell zur sogenannten „Risikogruppe“. So halte ich jetzt alle Therapien, Supervisionen und Coachings per Telefon und Skype bzw. Zoom-Videokonferenz. Auch Paar- und Familientherapie finden in diesem Rahmen statt. Die Erfahrung zeigt, dass Menschen sich an diese neue Art der Kommunikation meistens innerhalb von Minuten gewöhnen.

Vielleicht hat es ja auch Vorteile so… wir entdecken, dass Therapie und Beratung über hunderte und tausende von Kilometern, über Ländergrenzen und Ozeane hinweg stattfinden und gut tun kann. Ich lade euch ein, genau das mit mir auszuprobieren!

Ansteckungsgefahr

Vor einiger Zeit war ich bei der Familie meiner Schwester zu Besuch.

Gleich zu Beginn habe ich aus einem Wasserglas getrunken, das vor mir stand.

“Hast du daraus getrunken?”, fragte meine Schwester. „Das Glas gehört Luise. Sie ist sehr ansteckend.”

Ich beugte mich über das Glas und schleuderte die Worte hinein: “Passt auf, dass ihr euch nicht mit Stefan ansteckt!”

Dann trank ich das Glas aus. Mehr passierte nicht. Mir jedenfalls nicht.

(Stefan Hammel, Handbuch des therapeutischen Erzählens, 56)

Morbus Feivel

Die Stadt Chelm wurde zur Brutstätte einer seltsamen Epidemie. Und das kam so. Angesichts der vielen und vielfältigen Erkrankungen in seiner Stadt bedachte Feivel der Arzt einmal, wie viel schneller und leichter es in Anbetracht der wenigen wirklich gesunden Bürger sein dürfte, anstatt zu untersuchen, welcher der Bürger an welcher Krankheit litte, umgekehrt festzustellen, wer von einer Gesundheit befallen sei und, damit die Arbeit nicht unangemessen einfach würde, mit welcher Art seine Gesundheit sei.

Bei einem Patienten, der keinen Beinbruch hatte, stellte er eine Knochengesundheit fest, bei einem weiteren eine Herzgesundheit, bei einem dritten eine schwere Hautgesundheit, und so fort. Bei Schlemihl stellte er eine unentzündliche Gesundheit des Zahnfleisches fest. Auf Schlemihls Nachfrage, was das sei, murmelte der Arzt, der sich bereits seinem nächsten Patienten zugewandt hatte: „Morbus Feivel, Krankheitszerfall im fortgeschrittenen Stadium.“

Schlemihl verstand nicht genau die Bedeutung dieser Worte. Er wollte jedoch seine Unwissenheit nicht durch Nachfragen offenbaren, und so ließ er die Diagnose auf sich beruhen.

Als seine Frau ihn zuhause fragte, was der Arzt bei ihm festgestellt hätte, antwortete er knapp: „Ansteckende Gesundheit“.

Schlemihls Frau wunderte sich, wie es möglich sei, dass sie und die Kinder, obwohl sie doch auf engstem Raum mit Schlemihl zusammen lebten, noch erkältet seien. Als sie Feivel fragte, klärte er sie auf: „Das liegt an der Inkubationszeit. Diese Art der Infektion bricht erst einige Tage nach ihrer Übertragung voll aus.“

Tatsächlich begannen Schlemihls Frau und Kinder am folgenden Tag in raschen Schritten zu gesunden. „Wir haben eine ansteckende Gesundheit“, erklärten sie ihren Nachbarn. „Wir haben uns bei Schlemihl angesteckt.“

In den nächsten Tagen wurden auch die Nachbarn von der Gesundheit ergriffen. Von da aus breitete sich der Morbus Feivel in Windeseile in der ganzen Stadt aus. Bald kamen Bürger aus dem Umland, um sich mit Schlemihls Seuche zu anzustecken.

Am Ende war das ganze Land von ihr infiziert. So jedenfalls erzählt es Schlemihl.


(Stefan Hammel, Handbuch des therapeutischen Erzählens, 54)

Dienstleistung

Diese Geschichte hat meine geschätzte Kollegin Bettina Betz geschrieben. Gerne möchte ich sie (mit ihrer Erlaubnis) mit euch teilen…. Gruß Stefan Hammel

Emil stand im Flur und hielt einen Brief in der einen Hand. Mit der anderen fasste er sich an den Kopf.
„Neiiin!“, schrie er. „Ich hab’s versäumt, und jetzt ist es zu spät!“
Seine Frau kam dazu.
Sie wusste nicht, worum es ging.
Sie fragte auch nicht.
Stattdessen bückte sie sich und biss herzhaft in sein Hinterteil.
„Das war eine Dienstleistung“, erklärte sie ihm. „Ich hatte gerade den Eindruck, du würdest dich am liebsten in den Hintern beißen. Das kannst du schließlich nicht selbst.“

Therapeutisches Modellieren – Interview


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Mein Kollege Frieder Ittner hat mich letzte Woche in Heidelberg zur Methode des therapeutischen Modellierens interviewt und die Methode gleich selbst ausprobiert . Ich finde, das Interview – oder sollte ich sagen, die Sitzung? – ist sehr anschaulich und lebendig geworden!

Viel Spaß beim Anschauen!

Buch-Neuerscheinung: „Lebensmöglichkeiten entdecken“

„Lebensmöglichkeiten entdecken“ – Veränderungen durch Therapeutisches Modellieren

Klett-Cotta (Reihe Leben Lernen). 270 Seiten, August 2019
Preis 32,00 €.

– Ein kreativer, lehr- und lernbarer Ansatz
– Geeignet für Einzel-, Paar- und Familientherapie

Das „Modellieren von Lebensmöglichkeiten“ bietet die Chance, mit noch nie aktualisierten oder neu kombinierten Identitäten der eigenen Person Erfahrungen zu sammeln. Der Ansatz hat sich bei einer großen Anzahl an Störungen bewährt, da unwillkommene Symptome so „verabschiedet“ werden, dass sie nicht durch die Hintertür wieder hereinkommen müssen.

Psychische und psychosomatische Belastungen entstehen nie zufällig. Im hypno-systemischen Arbeitskontext – und weit darüber hinaus- sind Störungen suboptimale Versuche von Problemlösungen. Doch wie gelingt es dann, unerwünschte Symptome wieder zum Verschwinden zu bringen?

So wurde mein Buch von Kollegen beschrieben: „Stefan Hammel entfaltet mit dem „Therapeutischen Modellieren“ hier seinen ideen- und variantenreichen Ansatz, der sich in der Praxis bereits bewährt hat. Dies geschieht in Form einer Arbeit mit Stühlen, die jeweils Repräsentanzen der Lebensmöglichkeiten darstellen. Belastendes oder Symptome werden herausgesetzt, Ressourcen und Befreiendes wird hereingeholt und durch hypnotherapeutische Interventionen verstärkt. Dieses kreative Vorgehen ist bei einer großen Bandbreite an Störungen und besonders auch bei chronifizierten, schwer durchschaubaren inneren Konflikten geeignet, gute Lösungen herbeizuführen.“

Krasse Welt

Dieser Beitrag hat mich berührt. Er stammt von meiner geschätzten Kollegin Angelika Berning aus Hannover. Ich habe sie gefragt, ob ich ihn veröffentlichen darf und bin dankbar, dass sie „Ja“ gesagt hat…

Vor einiger Zeit habe ich einen Ort aufgesucht, der mich sehr beeindruckt hat. Was ich an diesem Ort erlebt habe möchte ich im Folgenden gerne teilen.

Nehmen Sie sich einige Minuten Zeit dieses Bild anzuschauen, bevor Sie den nachfolgenden Text lesen.

Unvorstellbar

Äußerlich bin ich ganz ruhig, aber tief in mir spüre ich Anspannung, als ich an diesem grauen Herbsttag den kleinen Kellerraum betrete. Schon lange hatte ich vorgehabt hierher zu kommen und registriere nun, dass ich mir den Raum viel größer vorgestellt hatte. Er misst etwa drei Schritte von Wand zu Wand und sechs vom Fenster bis zu der Stelle, wo nach späterer Rekonstruktion die vordere Wand gewesen sein muss; vielleicht sind es 18 qm. Eine weiße Kerze steht auf einer Art rostigem Eisenbalken, der als Kerzenständer dient. Ein kleines Holzkreuz liegt auf der Kerze. Auf dem Boden direkt daneben steht ein erloschenes, rotes Grablicht und eine wie achtlos daneben hingeworfene Plastikrose.

Ansonsten ist der Raum leer. Gar nichts Besonderes hier: unspektakulär, schlicht, karg und einfach, wie viele Kellerräume in irgendwelchen Häusern. Steine, Mörtel, Wände, die Decke nicht sehr hoch, ein vergittertes Fenster mit Milchglasscheiben, die Tageslicht hereinlassen. Ohne Wissen könnte man von diesem Raum in seiner ausstrahlenden Harmlosigkeit keinerlei Rückschlüsse auf das ziehen, was hier früher einmal stattgefunden hat. Und doch war er eine Zeit lang eine Stätte unvorstellbaren Grauens. Sobald man ihn damals betreten hatte, musste buchstäblich die Hölle begonnen haben.

Genau an diesem Ort auf Schloss Sonnenstein in Pirna/Sachsen sind von 1940 bis 1941 fast 14.000 Menschen vergast worden. Dabei war die Heilanstalt Sonnenstein in den ersten einhundert Jahren ihres Bestehens eine im In- und Ausland hoch angesehene, psychiatrische Anstalt gewesen, wo beachtliche Heilerfolge erzielt worden waren. Bis dahin hatte in diesen Kliniken die Verwahrung der Patienten an erster Stelle gestanden. Nun wollte man mit einem neuen Konzept angemessene und vor allem humane Behandlungsmöglichkeiten zum Wohle der Patienten anwenden. Man ermöglichte ihnen Beschäftigung, eine offene Fürsorge und verzichtete auf einschränkende Maßnahmen im Sinne von Zwang, Isolierung und Bestrafung.

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Lebensmöglichkeiten entdecken

Am Montag hat es bei mir geklingelt, und der Postbote hat ein riesengroßes Paket gebracht, dessen Existenz ich mir… zumindest hier, an meiner Tür… nicht erklären konnte… „Ich hab‘ doch gar nichts bestellt…“ Aber es stand mein Name drauf, und so habe ich es angenommen und geöffnet. Drinnen fanden sich die Belegexemplare des Buches „Lebensmöglichkeiten entdecken. Veränderung durch Therapeutisches Modellieren.“ Richtig, das hatte ich ja mal geschrieben, und das sollte ja irgendwann auch rauskommen… Wenn ihr also wollt, könnt ihr das Buch ab sofort im Handel erwerben. Oder auch in meinem Shop, da bekommt ihr eines der Exemplare aus dem ominösen Paket vom Montag. Und allen, die es sich kaufen oder schenken lassen, wünsche ich schon einmal viel Spaß beim Lesen!

https://www.klett-cotta.de/media/1/9783608892543.jpg

Stefan Hammel: Lebensmöglichkeiten entdecken. Veränderung durch Therapeutisches Modellieren. Klett-Cotta, Stuttgart 2019. 292 Seiten. 32,00 € (D).

Bananen aus eigener Ernte


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Wenn ich in mir eine Stimme höre, die spricht: „Das geht nicht“, dann meldet sich traditionell als nächstes eine zweite, die fragt: „Woher weißt du das? Gibt es Beweise?“ Und dann meldet sich eine dritte Stimme in mir, die fragt: „Wie ginge es, wenn es doch ginge? Wie geht es, wenn es geht?“ Dann bin ich in der Suche. Und meistens geht es doch. Ich wünsche mir ein ähnliches Stimmenkonzert, wenn ich mich sagen höre. „So etwas gibt es nicht.“ Es könnte sich nämlich so verhalten wie mit den Bananen. Besucher, die unsere große Bananenstaude sehen, haben mich immer wieder gefragt: „Habt ihr schon Bananen geerntet?“ Zuletzt war das mein Cousin, der letzten Sommer aus den USA kam, um uns zu besuchen. Ich habe dann immer geantwortet: „Ich glaube nicht, dass diese Art von Stauden Früchte tragen, jedenfalls nicht in unseren Breiten. Ich habe noch niemanden kennengelernt, der in Deutschland Bananen geerntet hat.“ Als mein Cousin das fragte, waren die Bananen wahrscheinlich schon da. Bananen wachsen nämlich sehr langsam. Als ich dann Anfang des Jahres die Staude umgedreht habe, damit sie wieder gerade wächst, war ich überrascht: Da wuchsen Bananen an meiner Staude! Im März waren sie dann goldgelb und reif. Fünf Bananen haben wir geerntet und gegessen. Und wenn ich das nächste Mal sage oder denke: „So etwas gibt es nicht“, dann werde ich vielleicht vorsichtiger sein. Hoffentlich.

Video: How we Dream Reality

Letzten Herbst habe ich in Glasgow ein Seminar über „The Art of Therapeutic Storytelling“ gehalten. Jetzt habe ich Auszüge daraus veröffentlicht: Vier Stunden Einführung ins Therapeutische Erzählen in englischer Sprache als Audio-CD. Einen ganz kleinen Ausschnitt gibt es auch als Film. In dem Video unten erkläre ich ein bisschen, wie wir uns unsere Realität basteln – aus Erwartungen, die in die Zukunft projizierte Erinnerungen sind und aus aus „tatsächlichen“ Erinnerungen die mit fiktiven Vergangenheiten (sozusagen „alternativen Fakten“) farbenfroh ausdekoriert wurden. Ich wünsche euch viel Spaß beim Anschauen und Anhören!


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