Gnädig

Wir unterhielten uns über Musik. „Das Ohr ist gnädig“, sagte sie. „Es hört das, was gemeint ist und nicht das, was tatsächlich gespielt wird.“ Die Dame, die das sagte, war Klavierlehrerin. Seit Jahrzehnten unterrichtete sie Schüler und hatte sich ihre Gedanken gemacht, wie Ohr und Gehirn die Musik verarbeiten. „Das Ohr ist gnädig“, wiederholte ich.  „Wie meinen Sie das?“ Sie sagte: „Wenn wir als Publikum Musik hören, blenden wir meistens die Fehler aus. Wir hören, was gemeint ist. Was im Bewusstsein ankommt, ist dann die vollkommene Melodie. Die Künstler und die Lehrer achten auf die Fehler, aber das Publikum hört die Musik.“

Ich erzähle diese Geschichte Menschen, die sich selbst oder anderen nicht leicht verzeihen, Perfektionisten der Ästhetik, des Wissens, des Erfolgs und der Moral wie überhaupt Menschen, die auf das Fehlende leichter als auf das Erreichte schauen.

Webtipp: Online-Magazin KidsLife

Hab ich schonmal gesagt, dass sich unter www.kidslife-magazin.de eine wirklich schöne Sammlung alltagstauglicher Tipps für Eltern befindet? Ich glaube noch nicht. Hingewiesen hatte ich lediglich auf „Peggys Blog-Welt“, die in die Seite integriert ist. Aktuell weist das Online-Magazin der Elternzeitschrift „KidsLife“ gerade auf die Hörbuch-CD „Der Grashalm in der Wüste – Die Taggeschichten“ hin:

„Der Grashalm in der Wüste“ heißt ein neues Hörbuch, gelesen von Oskar Mürell und Stefan Hammel, mit Musik von Jan Masuhr. Die Geschichten auf dieser CD erzählen davon, wie wir in anspruchsvollen, manchmal aussichtslos erscheinenden Lebenslagen einen neuen Blick auf die Welt gewinnen können. Sie regen an zu neuen Blickwinkeln und neuen Herangehensweisen, um herausfordernde Lebenssituationen zu meistern. Alle Erzählungen stammen aus dem Buch „Der Grashalm in der Wüste – 100 Geschichten aus Beratung, Therapie und Seelsorge“ von Stefan Hammel (Nierstein, edition impress, 2006). Info und Bestellung: www.stefanhammel.de

Vielen Dank an Chefredakteur Andreas Schmid, an Martina Voigt-Schmid sowie an Matthias Krauß, den Herausgeber des Online-Magazins, für den freundlichen Hinweis!

In der aktuellen Online-Ausgabe von „Kids Life“ finden sich übrigens viele hilfreiche Tipps zu den Themen:

Verkehrssicherheit von Kindern
Psychische Gesundheit bei Kindern
Kinderbücher
Jugendschutzgesetz
Elternkurse
Lernmethoden
Aggressives Verhalten bei Kindern
Kopfschmerzen
Fernsehprogramm
Übergewicht bei Kindern
Homöpathie
Haustiere
und viele andere…

Wer einmal diese wirklich gute Elternzeitschrift auf echtem Papier lesen möchte, kauft sich natürlich am allerbesten gleich das Original! Ich wünsche allen Blogleserinnen und -lesern viel Spaß beim Stöbern!

 

 

Der Duft des Brotes

„Frau“, sprach der Bäcker, „ich werde älter und meine Kräfte lassen nach. Ein Leben lang habe ich Brot für dieses Dorf gebacken. Ja, von weither sind die Leute gekommen, um meine Brötchen zu kaufen. Wenn jetzt der Tag kommt, dass ich die Teigschüssel aus der Hand legen muss, wer wird dann das Geschäft weiterführen?“ Die beiden hatten keine Kinder. „Geh hin“, sprach die Frau, „such dir einen jungen Mann, der dir zur Hand geht, und den du alles lehren kannst von deiner Kunst. Wenn du alt bist und nicht mehr arbeiten kannst, soll er den Laden weiterführen und du sollst stolz auf ihn sein wie auf einen Sohn.“ Der Bäcker ließ also in den umliegenden Dörfern verbreiten, er suche jemand, der gerne Brot bäckt und der dieses Handwerk bei ihm lernen möchte. In den kommenden Tagen stellten sich bei ihm vier junge Männer vor, und er hatte die Qual der Wahl. Und da ihm die Entscheidung schwer wurde, ging er zu seiner Frau und fragte sie. Sie sagte: „Hol alle noch einmal her. Ich will dir sagen, welchen du nehmen sollst.“ Weiterlesen

Stille erzeugen

Ein Lehrer kam in eine unruhige Klasse. „Es wird schwierig werden, sie zur Ruhe zu bringen“, dachte er bei sich selbst. Da stellte er sich vor, alle Schüler seien kleine Atome, die von einer unruhigen Schwingung ergriffen seien. Er brachte sich selbst in dieselbe Schwingung, zappelte ein klein wenig mit den Armen, trat von einem Bein aufs andere und murmelte dabei etwas vor sich hin. Als er die gleiche Schwingung erreicht hatte, wie seine Schüler, wurde er allmählich langsamer und leiser. Auch die Klasse wurde ruhiger und leiser. Er musste aufpassen, sich nicht zu schnell zu beruhigen – lieber noch einen Augenblick zappeln und dann wieder ruhig werden. Er brauchte dafür etwa drei Minuten. Dann war die Klasse völlig still. Weiterlesen

Reiterin und Pferd

Ich sah, wie eine Reiterin ein Pferd an sich gewöhnte. Die junge Frau war klein und zierlich. Das Pferd, ein schwarzer Wallach, schäumte vor Leidenschaft. Der Wallach sträubte sich und widerstrebte ihren Befehlen. Er hätte sie jederzeit abwerfen können, doch darum ging es nicht. Zwei Seelen rangen miteinander. „Wer führt?“ Die Frage erfüllte die Luft. Die Frau nahm sich viel Zeit für das Pferd. Sie wollte über das Tier herrschen, und es doch nicht unterwerfen. Sie wollte seine Achtung und sein Vertrauen. Am Ende gewann sie das Ringen, und ich glaube, beide waren glücklich.

Geschichten in der Kindertherapie

Gestern hat mich eine Kollegin in einem Forum mit Blick auf Geschichten in der Therapie mit Kindern gefragt: „Wie gehen Sie vor? Die Geschichten werden einfach erzählt, resp. vorgelesen und nicht kommentiert?“ Ich hab das mal so beantwortet:

Wenn die Geschichte gut zur Situation passt, kann sie einfach unkommentiert erzählt oder vorgelesen werden. Die Geschichte sollte analog zum Problem des Kindes strukturiert sein und metaphorisch oder beispielhaft eine erfolgreiche Lösung (Lösungsart, Lösungsstruktur) anbieten. Die Analogie zum Problem und das bereits bestehende Beratungssetting (das Kind weiß: wir sind hier zur Beratung wegen Problem XY) sorgen dafür, dass die Geschichte vom Unbewussten als Lösung identifiziert wird. Darum ist kein Kommentar nötig, der Kontext ist der Kommentar.

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Hypnose mit einem Säugling

Mutter und schlafendes Kind

Gestern war ich bei Dr. Peter Schneider und Renate Schneider in Heidelberg zu Besuch, um mit ihnen und Dr. Martina Wegenroth Möglichkeiten zu besprechen, unseren Pilotversuch zur Wirksamkeit von Hypnotherapie bei Tinnitus fortzuführen und auszubauen. Es ergab sich die Situation, dass mir jemand den 6 Monate alten Manuel auf den Arm legte mit der Aufforderung, ihn doch zu hypnotisieren, damit er einschläft.

Also habe ich mit dem Baby geplaudert und mit einer besonders tiefen Stimme dafür gesorgt, dass ich seine volle Aufmerksamkeit bekam. Ich habe mit ihm genauso herumgezappelt, wie er selber sich bewegt hat und habe, als wir gut zusammen gezappelt haben, die Frequenz und Amplitude des Gezappels verringert – habe ihn also ganz allmählich langsamer und schwächer bewegt und darauf geachtet, die Veränderung nicht schneller zu vollziehen, als er sie auch mitvollzieht. Dann habe ich begonnen laut in seinem Tempo zu atmen und habe meinen Atem von da aus immer langsamer werden lassen, wobei ich darauf geachtet habe, dass er mitgeht.

Es dauerte insgesamt etwa drei Minuten, bis er schlief.

Schuhbändelgespräche

Schuhe

„Deine Schuhbändel hängen auf den Boden“, sagte mein Vater gestern bei einem Gartenspaziergang zu mir. „Ja“, antwortete ich. „Das sieht saublöd aus“, sagte er. „So ist das eben“, erwiderte ich. „Du könntest drüber stolpern“, sagte er. „Was kann man da machen…“ sinnierte ich. Lange, lange arbeitete er an mir. „Wenn man Kindern Ratschläge gibt, tun sie es oft erst recht nicht. Manchmal tun sie das Gegenteil.“ So bilanzierte er schließlich. „Meine Mutter hat mich oft daran erinnert, dass gleich die Tagesschau kommt. Ich wusste, dass die Tagesschau kommt, und ich wollte sie gerne sehen, aber das Erinnert-werden hat mich so gestört, dass ich dann darauf verzichtet habe. Mein Vater hat uns nur wenige Ratschläge gegeben. Er war ein weiser Mann.“ Wir schauten in den Teich. Im Wasser spiegelten sich der Himmel und die Wolken.