Gespräche am Sterbebett

Wie spricht man mit Menschen im Koma? Und was kann man zu einem sterbenden Menschen sagen? Grundsätzlich Dinge, deren positive Ausrichtung sofort spürbar ist und die zugleich ehrlich sind. Grundsätzlich Dinge, die den Sterbenden als Lebenden respektieren. Grundsätzlich möchte ich weder so tun, als gäbe es kein Sterben, noch so, als wäre der andere schon nicht mehr da. Grundsätzlich möchte ich so reden, dass es das Mitdenken nicht schwerfällt: Ganz anschaulich, in Bildern, in Tagträumen, und möglichst in Worten, die dem anderen Menschen schon längst etwas bedeuten. Einige Gedanken aus meiner Arbeit als Pfarrer möchte ich hier anfügen.

Vor kurzem wurde ich ins Krankenhaus gerufen, zu einem schwer kranken Mann. Die Ärzte sagten, dass er in den nächsten Tagen oder Wochen sterben werde. Seine Frau, die sehr gläubig war, hatte mich gebeten, zu kommen. Als ich mit den beiden sprach, wurde bald deutlich: Er wollte kein Gebet, das Abschied bedeuten könnte. Er wollte leben. „Verstehen Sie“, sagte er, „Beten ist gut, aber jetzt geht es nicht. Jetzt ist nicht die Zeit. Vielleicht später“, sagte er. Ob ich aus der Ferne um Leben, um ein Wunder für ihn beten sollte, fragte ich. „Das ist gut“, antwortete er.
Am anderen Tag lag er im Koma. Es atmete in kurzen Stößen, und es war zu sehen, dass er im Sterben lag. Ich las ihm den Psalm vom guten Hirten vor, sprach ein Gebet, das Vaterunser und einen Segen. Wenn ich den Eindruck hatte, dass ihm eine Zeile des Psalms gut tat, las ich die Zeile zweimal oder dreimal. Ich las die Zeilen ruhig und mit Pausen vor, und wir hatten den Eindruck, dass darüber auch sein Atem immer ruhiger wurde. Sein Atem folgte meinem, und wenn ich sehr langsam sprach, setzte der Atem manchmal für eine Weile aus, um danach doch wieder ruhig weiterzufließen. Alles, was ihm Kummer oder Angst machen könnte, möge er ablegen, so bat ich ihn, wie an einer Garderobe Gottes. Was mit Schuld oder Vorwürfen zu tun hätte, alle Gedanken, die was ihm nicht gut täten und alles, was er nicht braucht, möge er wie Kleider ablegen bei Gott. Nach diesen Worten von meiner Seite sprach auch seine Frau mit ihm über das Loslassen: Davon, dass Sie ihn nicht festhalte, dass er loslassen dürfe und davon, dass er seine Liebe zu ihr auch von der anderen Seite aus ausdrücken kann. Es scheint mir ganz deutlich so, dass er das hören und für sich annehmen konnte. Etwa eine viertel Stunde später starb er ruhig, ohne Kampf.

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