Laufen lernen, und tanzen…

Heute hatte ich eine Frau in Hypnosetherapie, die nach einer Hirnblutung mit halbseitiger Lähmung die Wiedereingliederung ins Berufsleben anstrebt. Sie wollte Unterstützung wegen depressiver Tendenzen, aber auch ein mentales Training, das ihr bei der weiteren Zurückgewinnung ihrer Handlungsfähigkeit auf der rechten Körperhälfte helfen konnte. Sie ist Lehrerin und Mutter zweier Teenager und berichtete mir, dass sie früher gerne geritten und geschwommen sei.

Ich redete mit ihr darüber, dass sie zwei Kindern das Laufen beigebracht habe und wisse, dass es gut ist, die Kinder bei Rückschlägen nicht zu schimpfen, sondern zu ermutigen. Dann erzählte ich ihr etwas über die Mühen des Laufenlernens, wie viele Dinge dabei koordiniert werden müssen, und wie anspruchsvoll diese Aufgabe ist und wie wunderbar es ist, dass ihre Söhne wie auch sie selbst das gelernt hat. Ich habe ihr gesagt, dass ihre gelähmte Körperseite sei wie eine Tochter, die das Laufen lern, und ihre gesunde Seite wie die Mütter, die das schon könne und der Tochter beibringe, und dass diese Mutter ganz gewiss wisse, wie gut es ist, aus Liebe Geduld mit diesem langen Prozess zu haben und die andere Seite mit genau der Liebe und Geduld beim Lernen zu unterstützen, die sie gegenüber ihren Söhnen gezeigt hatte und gegenüber einer Tochter zeigen würde.

Während ich redete, klingelte ihr Mobiltelefon und zog einen Teil ihrer Aufmerksamkeit auf sich. Der Klingelton war eine Salsamelodie, und so begann ich davon zu erzählen, dass sie diesen Klängen entspannt lauschen könne, und nichts zu tun brauche, sondern nur an einen Urlaub denken in einem Land, in dem diese Musik gespielt wird, oder auch daran, wie sie selbst früher getanzt hat und wieder tanzen wird. Ich erzählte davon, wie die Bewegungen, die sie wieder neu erlernt anfangs nur als Vorstellungen in ihrem Inneren bestehen, aber als Vorstellungen, die Impulse auf ihre Muskeln übertragen, und diese Impulse ziehen immer stärkere Wirkungen nach sich, bis sie in eine sichtbare Muskelbewegung übergehen, selbst dort, wo vorher keinerlei Regung sichtbar war. Während ich redete, begann das Handy wieder zu klingeln, und wieder. Jedesmal, wenn es klingelte, erzählte ich vom Tanzen, das als Vorstellung im Kopf beginnt und das Impulse an die Muskeln erzeugt, die die Beweglichkeit erhöhen, bis sie eines Tages tatsächlich wieder tanzt wie früher. Und zwischendurch erzählte ich davon, wie sie als Kind schon mit großer Mühe das Laufen erlernte, mit vielen Rückschlägen, aber unermüdlich, in dem Wissen, was andere gelernt haben, das lerne ich auch. Ich werde gehen lernen, und laufen lernen, und irgendwann werde ich tanzen.

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