Was ist Hypnotherapie nicht?

Über Hypnose und Hypnotherapie gibt es viele Legenden…

  • Hypnotische Trance ist kein abnormer Zustand, sondern vergleichbar der Verfassung, in der wir uns beim Lesen eines interessanten Buchs oder beim Betrachten eines Kinofilms befinden.
  • Hypnose ist auch kein willenloser Zustand, und der Hypnotiseur hat keine unumschränkte Macht über den Hypnotisanden. Der Hypnotiseur verstärkt Tendenzen, die im Hypnotisanden bereits angelegt sind.
  • Das Risiko, aus einer Hypnosesitzung nicht mehr aufzuwachen, besteht nicht. In sehr seltenen Fällen geht die Hypnose in einen Schlaf über, der mit dem normalen Erwachen endet.
  • Hypnotische Zustände werden oft nicht als solche wahrgenommen, da eine leichte Trance mit dem normalen „Tagträumen“ vergleichbar ist. Geistig-seelische Extremerlebnisse lassen sich in Trance zwar erzeugen, sind aber nicht die Regel und für die Therapiearbeit meist nicht relevant.
  • Hypnotische Zustände werden definitiv nicht durch einen hypnotischen Blick oder ein mystisches Persönlichkeitsmerkmal des Hypnotisierenden erzeugt.
  • Das weitgehende oder vollständige Vergessen der in Trance gehörten Inhalte ist eher die Ausnahme als die Regel.

4 Gedanken zu „Was ist Hypnotherapie nicht?

  1. Lieber Stefan, … das ist ja alles sehr beruhigend. Aber ich bringe es nicht überein mit dem, was die Show-Hypnotiseure mit den „Freiwilligen aus dem Publikum“ anstellen… ???
    Gruß Doris

  2. Gute Frage. Wahrscheinlich wäre es besser gewesen, von Hypnose und Hypnotherapie separat zu sprechen, außerdem Therapie und Show zu unterscheiden und mich obendrein präziser zu formulieren.

    Grob gesprochen funktioniert in Hypnose fast alles, wovon der Hypnotiseur erwartet, dass es geht, sofern er diese Erwartung verbal oder nonverbal an den Hypnotisanden vermittelt. Dabei ist der grundlegende Rahmen der Hypnose eine mindestens so mächtige Suggestion wie die Worte des Hypnotisierenden. Wenn man seinen Klienten sagt oder anderweitig vermittelt: „Dies und das geht in der Hypnotherapie nicht“, geht es tatsächlich nicht. Sagt oder vermittelt man ihnen, dass es geht, geht es meistens auch. Die Showhypnotiseure schaffen schon durch den Rahmen eine Erwartungshaltung für das Kuriose und Ungeheuerliche, und das kommt dann auch. Das Therapiesetting und der Überweisungskontext (Internetseiten, Erzählungen früherer Klienten, Ankündigungen überweisender Ärzte, Ambiente des Raumes) bestimmen schon vor den ersten Worten, dass hier körperliche und seelische Heilung passiert.

    Zu den Showhypnotiseuren: Wenn jemand in angespannter Erwartung ist, kann man ihn durch eine plötzliche Überraschung sehr schnell in eine somnambule Trance bringen. Das ist ein Zustand, der dem Schlafwandeln oder einem nächtlichen Traum ähnelt. In diesem Zustand kann man einem Menschen alles Erdenkliche glaubhaft machen. Nach der allgemein vertretenen Auffassung behalten die Menschen in diesem Zustand ihre Werthaltungen, verweigern sich also weiterhin Dingen, die sie als unmoralisch empfinden. Allerdings handeln sie nach der suggerierten Rahmensituation. Würde man ihnen in diesem Zustand eine Notwehrsituation suggerieren, würden sie einen anderen Menschen angreifen und ihn gegebenenfalls töten. Der Showhypnotiseur und spätere Hypnoseausbilder Wolfgang Küntzel hat das meines Wissens mit einer Schusswaffenattrappe demonstriert.

    Das Vergessen dessen, was in Trance geschieht, ist für die somanmbule Trance genauso typisch wie für nächtliche Träume oder Schlafwandeln. Es ist aber ebenso wenig sicher vorhersagbar; insbesondere kann die Erinnerung, genau wie bei Nachtträumen, auch später durch einen auslösenden Reiz wiederkehren.

    Wenn ich sage, „Hypnotische Trance ist vergleichbar dem Zustand, in dem wir und beim Lesen eines interessanten Buchs oder während eines interessanten Kinofilms befinden“, möchte ich nun darauf hinweisen:
    In diesem Zustand ist die Illusion vorrangig gegenüber der materiellen Realität. Wir beginnen real über den Film zu weinen, real zu lachen, real die Fäuste zu ballen und die Kiefer zusammenzupressen, real Angstkrämpfe im Bauch zu bekommen. Wir empfinden uns als Teil des Films, wir lieben und leiden mit den anderen Schauspielern. Die Wochenschau der Nazis war deren wöchentliche Hypnose, und sie hat gut funktioniert. Wer Bedenken gegenüber tiefer Trance hat, darf kein Fernsehen schauen, oder er sollte sich vorher genau über die Sendungen informieren und mit sich selbst klare Kriterien („Anker“) vereinbaren, in welchen Fällen er aus dem Film „aufwacht“ und welche Suggestionen für seine Realität er abweist.

    Die Hypnotherapeuten, die ich kenne, schaffen einen Erwartungskontext von gegenseitigem Respekt und einem guten Umgang miteinander. Sie vermitteln eine Erwartung von seelischem, körperlichem und sozialem Heilwerden. Was von Anfang an gesät ist, wird dann auch geerntet.

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