Polizeiphobie

Ein Mann kam in Therapie, nachdem er neun Monate wegen Steuerdelikten inhaftiert gewesen war. Er sagte: „Ich habe ein Problem, wenn jemand Türen schlägt. Im Knast werden ständig Türen geschlagen. Die Aufseher wecken dich nachts um drei. Sie schlagen die Zellentür auf und knallen sie wieder zu, Sie durchsuchen deine Zelle nach Drogen und knallen wieder die Türe zu. Im Knast knallen immer irgendwelche Türen. Ich muss mich zweimal in der Woche auf der Polizeiwache melden. Das gehört zu meinen Auflagen für die Aussetzung der Haft. Das ist sehr unangenehm. Jedes Mal, wenn ich Polizisten sehe oder ein Polizeiauto oder etwas, was mit der Polizei zu tun hat, bekomme ich solche Angst, dass es mir die Luft wegnimmt.“
Ich fragte: „Gibt es einen Unterschied zwischen Gefängnisaufsehern und Polizisten?“
„Ja, sie sind schon verschieden in ihrer Art.“
„Und sind die Polizistinnen und die Polizisten verschieden?“
„Die Polizistinnen sind meistens freundlicher.“
„Sie haben vielleicht bemerkt, dass viele Polizisten einen Schnurrbart tragen. Gibt es einen Unterschied zwischen Polizisten mit und ohne Schnurrbart?“
„Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Ich glaube, die mit Schnurrbart sind im Durchschnitt härter.“
„Ich möchte, dass Sie unterscheiden zwischen Gefängnisaufsehern und Polizisten, und zwischen den Polizisten, die sie tatsächlich ungut behandelt haben, und denen, die Ihnen nichts getan haben. Fürs erste genügt es, wenn Sie sich nur vor denen fürchten, die so aussehen wie die, die Sie schlecht behandelt haben und die etwa dieselbe Funktion haben. Wie haben Ihre Polizisten ausgesehen?“
„Es waren dunkelhaarige dicke Männer.“
„Ich möchte, dass Sie Ihrer Seele ausrichten, dass sie Recht hat, sich zu fürchten. Sie haben die allerbesten Gründe, Angst zu haben. Sie haben etwas Schlimmes, Beängstigendes erlebt, und Ihr Unbewusstes will etwas Gutes für Sie. Es will, dass Ihnen so etwas nie wieder passiert. Sie haben etwas Wichtiges gelernt. Nur haben Sie zu viel gelernt. Sie haben damals unter Stress gestanden und hatten nicht viel Kapazität frei, um genau und gut zu differenzieren. Darum hat Ihr Unbewusstes den Befehl ausgegeben, vorsichtshalber vor allem Möglichen Angst zu haben, was nach Polizei und Polizisten aussieht. Es hat das getan, um wirklich ganz sicher zu sein, dass Sie wirklich alles meiden, was auch nur ein bisschen so aussieht, als könnte es in eine Wiederholung des Erlebten münden. Aber da hat Ihr Unbewusstes, eben weil es unter Stress war, zu weitwinklig gelernt. Wenn es noch weitwinkliger und undifferenzierter gelernt hätte, würde es jetzt alle Menschen in Uniform fürchten, oder alle Menschen überhaupt, weil es ja Menschen waren, die Ihnen etwas zugefügt hatten. Oder alle Menschen, Tiere und Pflanzen, weil es Lebewesen waren, mit denen Sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Aber welchen Sinn hätte das? Ich möchte, dass Sie das Gelernte engwinklig machen. Ich möchte, dass Sie ab jetzt nur noch Polizisten fürchten, die denen gleichen, mit denen Sie damals schlechte Erfahrungen gemacht haben, und dass Sie Polizisten und Gefängnisaufseher sauber voneinander getrennt halten.
Ihre Seele will Sie schützen und flößt Ihnen in sehr vielen Situationen Angst ein, um wirklich ganz sicher zu sein, das sich so etwas Schlimmes in Ihrem Leben nicht wiederholt. Sie meint es gut mit Ihnen. Sagen Sie zu Ihrer Seele: ‘Du machst das sehr gut. Danke, liebe Seele! Ich zeige dir, wie du mich sogar noch besser schützen kannst. Willst du das?’ Und Ihre Seele sagt zu Ihnen: ‘Ja, bitte!’ Und Sie sagen: ‘Du kannst mich noch besser schützen, wenn du dasselbe tust wie bisher und es nur viel genauer einstellst, möglichst genau auf die Situation, die damals war, auf genau diese Situation. Dabei sparst du sehr viel Energie, und die kannst du nutzen zum allgemeinen Aufpassen, aber auch für viele andere, angenehme und entspannende Dinge.
Ich möchte Sie noch auf etwas anderes aufmerksam machen. Niemals hätte die Begegnung mit der Polizei allein Sie so traumatisiert. Es war die Kombination der Ereignisse. Es war zum Beispiel diese Begegnung in Verbindung mit dem, was vorher war und später kam. Es waren auch nicht die Aufseher allein. Es war die Kombination von Aufsehern, schlagenden Türen und einer ganzen Anzahl anderer Faktoren. Genau genommen brauchen Sie auch männliche, dicke, dunkelhaarige Polizisten nur dann fürchten, wenn sie Ihnen in der Kombination von damals wieder begegnen.“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert