Die Fernseher von nebenan

Quelle: pixabay

„Ich kann mich nicht richtig konzentrieren. Es ist, als ob in meinem Kopf ein Insektenschwarm herumfliegt, als ob hinter meiner Stirn etwas flimmert und vibriert“.

„Stell dir vor, in einer Familie hat jeder seinen eigenen Fernseher. Jedes Familienmitglied sitzt in einem anderen Zimmer und schaut sein eigenes Programm. Aber keiner hat die Türen zugemacht. Nun sitzt du in deinem Zimmer und siehst deine Sendung. Aus den Nebenräumen tönen fetzenweise die Dialoge und Geräusche der anderen Programme herüber. Du siehst auch Lichtreflexe von nebenan. Was tust du?“

„Ich gehe hin und mache die Türen zu.“

„Genau. Oder du könntest die anderen bitten, ihre Türen zu schließen, wenn sie so freundlich sind. Wenn das Türenschließen nicht reicht, könnt ihr auch Kopfhörer verwenden. Oder du könntest die anderen überzeugen, sich in einem Raum zu versammeln und ein Programm gemeinsam zu sehen, entweder deines oder das von jemand anderem. Ihr könntet die verschiedenen Möglichkeiten…“

„Und was heißt das jetzt für mich?“

„Wenn es flimmert und vibriert, laufen in deinem Kopf mehrere Filme. Das, womit du dich beschäftigen willst, läuft im Hintergrund, aber so laut, dass sie deine Aufmerksamkeit auf sich ziehen und deine Konzentration behindern. Vielleicht laufen sie ja deshalb so laut, weil sie dir emotional wichtig sind. Vielleicht wäre es gut, sich mit ihnen zu befassen, vielleicht sind sie aber auch gerade nicht dran. Kannst du mal nachschauen, was das für Filme sind? Und dich dann entweder in den Nachbarraum setzen oder den Leuten im Nachbarraum deines Gehirns sagen, sie sollen die Türe schließen, und du befasst dich ein andermal mit diesen Sachen?“

Situationen von Trauer und Trauma verursachen zuweilen erhebliche Konzentrationsschwierigkeiten. Daraus resultierten oft Probleme am Arbeitsplatz, bei der Vorbereitung von Prüfungen, im Straßenverkehr, bei der Koordination alltäglicher Verrichtungen und in nahen zwischenmenschlichen Beziehungen.

Diese Geschichte stammt von Stefan Hammel und ist in dem Buch „Wie der Tiger lieben lernte. 120 Geschichten bei psychischem Trauma“ zu finden. Die Geschichte gehört zum Kapitel „Geduld und Zuversicht im Überwinden“.

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