Die Schmerzverkäuferin

Vorhin habe ich auf dem Flur der Röntgenstation eine ältere Frau getroffen. Sie hat in ihrem Bett gelegen, zwischen anderen Patienten, umhereilenden Krankenschwestern, Betten schiebenden Transport- dienstmitarbeitern und anderem Personal. Wir hatten Zeit. Unser Gespräch verlief etwa so.

„Ich habe mir die Hüfte gebrochen. Ich habe solche Schmerzen. Die kann ich keinem verkaufen!“ „Wem würden Sie sie denn gern verkaufen?“ „Ihnen nicht. Sie sind ein Guter.“ „Wem möchten Sie sie denn sonst vielleicht verkaufen?“ „Keinem Guten. Höchstens einem bösen Hund. Aber der will sie ja auch nicht. Ich habe solche Schmerzen, und dazu habe ich auch noch Hunger… In dem Heim, wo ich wohne, gibt es ja kein so gutes Essen. Ich habe besser gekocht.“ „Sie waren bestimmt eine gute Hausfrau.“ „Ach, das nicht. Ich habe ja im Geschäft gearbeitet.“ „Ja? Was haben Sie denn verkauft?“ „Das war eine Geschenkhandlung. Wir hatten Kunst und Antiquitäten.“ „Da könnten Sie ja Ihre Beschwerden in Geschenkpapier verpacken und dort verkaufen.“ „Ich arbeite ja nicht mehr dort.“ „Und wenn die Beschwerden eine Ware wären, die sie dort verkauft hätten, was wäre das? Eine geklebte antike Vase, aus Keramik vielleicht, oder aus Steingut?“ „Steingut ist schön… Da gibt es schöne Sachen!“ „Sie haben sicher gern verkauft.“ „O Ja. Ich habe viele Kunden persönlich gekannt. Wir hatten viele Amerikaner als Kunden. – Vielen Dank, dass Sie mit mir gesprochen haben. Jetzt sind die Schmerzen schon viel weniger.“ „Sehen Sie… vielleicht möchten Sie mir Ihre Schmerzen jetzt doch verkaufen?“ „Ich weiß nicht, aber Sie…“ „Ich stecke sie mir in die Haare. Da spüre ich sie nicht. Und Sie stecken sich die restlichen Beschwerden einfach auch in Ihre Haare, ja? Oder geben Sie sie mir einfach mit. Ich gehe nämlich jetzt.“ „Aber werfen Sie sie…“ „Das mache ich. Gleich in den nächsten Abfalleimer. Auf Wiedersehen!“

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